Juncker: „Ich bin zufrieden mit dieser Entscheidung“

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Die wochenlangen Spekulationen haben also nun ein Ende. Der belgische Regierungschef Herman Van Rompuy wird erster permanenter Präsident des Europäischen Rates, die Britin Catherine Ashton, bisherige EU-Handelskommissarin, übernimmt den Posten der Chefdiplomatin./ Von unserem Redakteur Guy Kemp, Brüssel

Relativ früh am gestrigen Abend machten die beiden Namen im Ratsgebäude in Brüssel die Runde. Schnell gab es Gewissheit über die Nominierung der Britin. Denn noch vor dem Gipfeltreffen kamen am späten Nachmittag sozialistische Regierungsvertreter aus einer Reihe von EU-Staaten zusammen und einigten sich darauf, Catherine Ashton als Hohe Vertreterin der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik vorzuschlagen. Die Bestätigung, dass auch Van Rompuy das Rennen gemacht hatte, ließ noch etwas auf sich warten.
Denn auch der luxemburgische Premier Jean-Claude Juncker war noch weiterhin im Rennen, nachdem allerdings der niederländische Regierungschef Jan Peter Balkenende sich bei seiner Ankunft in Brüssel zurückzog.
Der schwedische EU-Ratsvorsitzende Reinfeldt hätte einen Vorschlag gemacht, der den größten Konsens finden und zu den geringsten Blockaden führen würde, erklärte Jean-Claude Juncker den Ablauf der Entscheidungsfindung. Andere hätten jedoch eine andere Meinung geäußert. „Aber nachdem ich erklärt hatte, ich würde in keinem Fall in einem Wettbewerb mit dem belgischen Premier antreten – ich finde, dass sich das verbietet zwischen Nachbarn und persönlichen Freunden – ist diese Debatte nicht weitergeführt worden“, erklärte Juncker weiter. Es gab demnach keine Abstimmung und die Entscheidung sei im Konsens getroffen worden. Letztendlich aber sei die Entscheidung in einem Gespräch zwischen dem schwedischen EU-Ratspräsidenten Fredrik Reinfeldt, Van Rompuy und ihm selbst gefallen, sagte der luxemburgische Regierungschef.

In europäischenDingen einer Meinung

„Ich halte das für eine gute Wahl“, kommentierte Juncker die Ernennung Van Rompuys. Er habe in den letzten Wochen in Gesprächen mit dem belgischen Regierungschef deutlich gemacht, dass er sich in keiner Weise diesem in den Weg stellen wolle. Er, Juncker, sei im Übrigen der einzige, der Van Rompuy kenne, „seit 20 Jahren“. Dieser sei „ein Europäer mit strammen europäischen Überzeugungen“ und dürfe nicht als jemand betrachtet werden, der das Feld räume, wenn diesen Überzeugungen widersprochen werde. Zudem seien beide in europäischen Dingen stets einer Meinung, so Juncker weiter. Daher sei die Wahl aus europäischer Sicht „absolut zu begrüßen“.
Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zeigte sich zufrieden mit der Wahl. Man hätte kaum eine bessere Wahl treffen können, meinte er. Zudem sei dies eine Ehre für Belgien. Es sei gut, dass die EU-Chefdiplomatin aus Großbritannien komme, sagte Barroso weiter. Damit bleibe das Vereinigte Königreich im Kern der EU.
Der schwedische EU-Ratsvorsitzende Fredrik Reinfeldt erklärte, der Grundgedanke, der hinter beiden Posten stehe, sei, die Stimme der EU in der Welt hörbar zu machen. Deshalb seien fähige Personen mit Führungskraft gesucht worden.
Die Diskussionen seien „in einer guten Atmosphäre“ verlaufen, sagte Juncker weiter, wobei auch „gute Worte, von vielen“ an seine Adresse gerichtet worden seien. „Ich bin eigentlich zufrieden, dass wir diese Entscheidung getroffen haben“, so Juncker weiter.

Ashton muss sichnoch Anhörung stellen

Juncker selbst hatte sein Interesse an dem Posten des EU-Ratspräsidenten in einem Interview mit der französischen Tageszeitung Le Monde bekundet. Dass nun aber eine andere Entscheidung getroffen wurde, würde ihn nicht davon abhalten „weiterhin an die europäische Sache zu glauben“ und seinen Einsatz dafür zu verdoppeln. Ohnehin gebe es in der Politik für ihn eigentlich nur einen Test. Das seien Wahlen. „Und die hab ich noch nie verloren“, antwortete Juncker mit fester Stimme auf die Frage, ob er nun nicht zu sehr enttäuscht sei.
Bisher wurde allerdings noch keine Diskussion über die Kompetenzen des permanenten EU-Ratspräsidenten geführt. Er habe diese Debatte seit zwei Jahren gefordert, die es jedoch wegen der ausstehenden Ratifizierungen und des Referendums in Irland nicht gegeben habe, erklärte Juncker. Die Ausführungen Van Rompuys und dessen Vorstellungen über das neue Amt würden jedoch mit seinen Profilerwartungen übereinstimmen. Das institutionelle Gleichgewicht werde nicht durcheinandergebracht und es komme zu einer intensiven Zusammenarbeit mit der Kommission.
Mit der Ernennung von Catherine Ashton zur EU-Außenministerin wurde die Quote gleich in mehreren Hinsichten erfüllt. Als Frau und Sozialistin und aus einem großen EU-Land stammend bedient Ashton gleich mehrere Kriterien einer zunehmend formalen, Gesichtspunkten folgenden Personalauswahl. Er sei „froh“, dass auf allgemeinen Wunsch hin mit Catherine Ashton auch das „weibliche Geschlecht“ an der EU-Spitze vertreten sei, so Juncker. Der jedoch auch dem bisherigen Amtsinhaber Javier Solana bescheinigte, viel für die Sichtbarkeit der EU in der Welt beigetragen zu haben.
Ashton, die gleichzeitig auch Vizepräsidentin der Europäischen Kommission sein wird, muss sich jetzt noch im Europäischen Parlament, wie alle anderen Anwärter auf einen Kommissionsposten, einer Anhörung stellen. 

Van Rompuy: „Werde diskret sein“
„Auch wenn es mir besonders schwer fällt, die Führung meines Landes aufzugeben, akzeptiere ich die Entscheidung“. Mit diesen Worten stellte sich Belgiens Premierminister Herman Van Rompuy gestern Abend der internationalen Presse in Brüssel.
Er habe sich nicht für das Amt des Präsidenten des Europäischen Rates beworben, bemerkte er. „Aber ab heute übernehme ich dieses Amt und die Herausforderung“.
Offiziell werde er sein neues Amt am 1. Januar 2010 antreten, präzisierte der Flame Van Rompuy, der sich abwechselnd der französischen, englischen und niederländischen Sprache bediente. Über seine Aufgabe meinte er, dass Europa „allen etwas bringen“ müsse. Auch werde er „aufmerksam lauschen“ und nach dem Prinzip handeln, dass „jedes Land als Sieger aus den Verhandlungen hervorgehen sollte“.
Dabei werde er seine Gewohnheiten aus der belgischen Politik pflegen: „Ich werde diskret sein in den Medien und die politischen Gegner achten“, betonte Van Rompuy unter dem Beifall der Journalisten.
Zurückhaltung will der neue EU-Präsident künftig auch in der belgischen Politik üben. Während sein Nachfolger noch zu bestimmen bleibt, liess der scheidende Premier jedoch wissen, dass die Belgier „ganz diskret“ auf seinen Rat zählen könnten.Nicht zuletzt zeigte Herman Van Rompuy in Beantwortung von teils heiklen Fragen der Journalisten nicht nur Intelligenz, sondern auch Schlagfertigkeit und Humor. Wie er zum EU-Beitritt der Türkei stehe, wollte einer wissen, in Anspielung auf eine Äußerung des Belgiers aus dem Jahr 2004, als er sich dagegen ausgesprochen hatte. Antwort: „Meine persönliche Meinung ist irrelevant. Sie ist völlig untergeordnet der Meinung des Europäischen Rates. Ich suche den Konsens“.
Und bezüglich der berühmten Kissinger-Frage nach der Telefonnummer Europas befragt, wen Obama anrufen werde, erwiderte Van Rompuy spontan: „Ich warte gespannt auf den ersten Anruf“… und erntete erneut Applaus.  mo 

„Jy suis, jy reste“
Was seinen Verbleib als Vorsitzender der Eurogruppe anbelange, sagte Jean-Claude Juncker gestern entschieden: „Jy suis, jy reste.“ Immerhin könnte sich Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy vorstellen, diesen Posten mit seiner Finanzministerin Christine Lagarde zu besetzen. Mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages am 1. Dezember wird auch der Präsident der Eurogruppe für eine Mandatsdauer von zweieinhalb Jahren neu bestimmt. „Ich glaube, dass ich das Vertrauen meiner Kollegen habe, um dieses Mandat weiterführen zu können“, sagte Juncker. Zudem sei es nicht gut, wenn er dieses Amt nicht weiter besetzen könne, da sonst der Eindruck entstehe, er würde aus Gram diesen Vorsitz abgeben, so Juncker.  gk 

 Asselborn: „Ein Benelux-Mann“ 
Den ganzen Abend über standen der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn und der Luxemburger Premierminister Jean-Claude Juncker in Kontakt miteinander. Asselborn war zusammen mit der Führungsspitze der Europäischen Sozialdemokraten, denen er als Vizepräsident angehört. Mit dabei in dieser Sitzung alle führenden Sozialdemokraten der EU, darunter zahlreiche Premierminister.
Tageblatt: Vor dem Gipfel in Brüssel schienen Premier Juncker und Sie eng zusammenzuarbeiten, um eine Kandidatur von Jean-Claude Juncker erfolgreich zu gestalten. Welches ist Ihre erste Reaktion?
Jean Asselborn:
„Ich freue mich zuerst darüber, dass mit Herman Van Rompuy ein Belgier und somit ein Vertreter der Beneluxstaaten gewählt worden ist. Persönlich habe ich einen sehr positiven Eindruck von Van Rompuy, umso mehr als er für die Gemeinschafts-Methode eintritt, also für ein integriertes Europa.
Was seine Persönlichkeit betrifft, wirkt er vielleicht etwas schüchtern. Allerdings möchte ich davor warnen, ihn deswegen als schwach abzutun. Van Rompuy ist ein Mann der Überzeugung, der ganz sicher eine bestimmte Raffinesse mit in seine Art der Politikgestaltung einbringt. Alle, die glauben, sie könnten mit ihm eigentlich machen, wie sie wollen, also einen schwachen Präsidenten in ihm sehen, sollten aufpassen. Sie könnten eine Überraschung erleben.
Was Jean-Claude Juncker anbelangt, glaube ich, dass er sich gut geschlagen hat. Man sollte nicht vergessen, dass da von einigen Seiten gegen ihn opponiert wurde, und nicht von den kleinsten Ländern. Der größte Widerstand kam von französischer Seite und auch der von Großbritannien war nicht wesentlich geringer. Man sollte nicht vergessen, dass England in der Vergangenheit bereits zweimal belgische Vorschläge blockiert hat.
Wie auch immer. Ich glaube, Jean-Claude Juncker wird die Angelegenheit schnell wegstecken.“

T“: Wie steht es um die Ernennung von Catherine Ashton zur EU-Außenbeauftragten? Sie kommt aus dem sozialdemokratischen Lager, hat aber in Sachen Außenpolitik absolut keine Erfahrung.
J.A.:
„Das stimmt. Ich kenne Frau Ashton nicht persönlich. Ich habe demnach die große Freude, helfen zu können, die Dame, die außenpolitisch bislang noch nicht tätig war, in ihre Arbeit einzuführen. Dabei hoffe ich auf eine gute Zusammenarbeit.“