Größte Insel der Welt wird unabhängig

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Ab morgen Sonntag ist Grönland weitgehend unabhängig. Die größte Insel der Welt wird von da an selbst über ihre vermutlich enormen Öl- und Gasvorkommen entscheiden. Damit will sie möglichst bald auch finanziell unabhängig von Dänemark werden./ Von unserem Korrespondenten André Anwar, Nuuk.

Morgen Sonntag feiert die größte Insel der Erde ihren Nationalfeiertag mit einer historischen Ausweitung ihrer Unabhängigkeit von Dänemark. Selbst in den kleinsten und abgelegensten Siedlungen Grönlands werden die rotweißen Fahnen der mehrheitlich indigenen Bevölkerung gehisst.
Gefeiert wird mit Gottesdiensten, Musik und Tanz und – ganz wichtig – dem eigenen grönländischen Wodka. Die dänische Königin Margrethe II. und der neue dänische Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen feiern einvernehmlich in Nuuk mit.

Rohstoffe selbst verwalten

Die Ausgelassenheit im sonst so eisig ruhigen Grönland hat ihren Grund. Am 21. Juni tritt das per Volksentscheid ratifizierte Abkommen mit Dänemark über die Entlassung in die Selbstständigkeit in Kraft. Zahlreiche Zuständigkeiten werden am Sonntag von der dänischen Regierung in Kopenhagen an die Regionalregierung in der Hauptstadt Nuuk verlegt.
Am wichtigsten ist dabei die Rohstoffverwaltung, die völlig unter die Kontrolle der Grönländer fällt. Auch das Schiffsregister, die Justiz und die Polizei sollen, so weit es die eingeschränkten Kapazitäten zulassen, an Grönland übertragen werden.
„Besonders wichtig ist, dass wir Grönländer endlich als eigenes Volk anerkannt werden und unsere Sprache als Landessprache“, sagt der bisherige Finanz- und Außenminister Per Berthelsen dieser Zeitung. Denn bislang waren die Grönländer nur eine regionale Volksgemeinschaft innerhalb des dänischen Reiches ähnlich der deutschen Minderheit in Nordschleswig. Mit dem neuen Status können sich Grönländer als eigenes Volk auf sämtliche Regeln des internationalen Rechts berufen. Und eben dieses führt auch das Recht auf die Unabhängigkeitserklärung mit sich.

Kopenhagen zahlt Hälfte des Budgets

Bis dahin bleiben die Kernbereiche Außen- und Sicherheitspolitik aber weiterhin in dänischer Regie.
Ob die größte Insel der Welt mittelfristig den letzten Schritt in die Unabhängigkeit wagen wird, steht und fällt mit den Ölvorkommen an der Küste. Denn um die Unabhängigkeit zu finanzieren, muss Grönland so viel Öl fördern und verkaufen, dass es nicht mehr am Tropf Dänemarks hängt.
Kopenhagen schießt jährlich mehr als die Hälfte des Budgets ein, heute 430 Millionen Euro. Der Rest kommt vor allem aus dem Krabbenfang.
Doch es ist bislang nicht sicher, wie viel Erdöl es genau gibt, und vor allem, wie leicht es zu fördern sein wird. Nach Berechnungen amerikanischer Geologen sollen sich im Meeres vor Nordwest-Grönland, das bislang trotz Klimawandels und schmelzenden Grönlandgletschern noch fast das ganze Jahr von Eis bedeckt ist, bis zu 110 Milliarden Barrel Öl verbergen. Das entspricht etwa den offiziellen Ölreserven Iraks oder Kuwaits. Wenn das Eis durch den Klimawandel schmilzt, könnte das goldene Zeiten für Grönland bedeuten.
Bis zu einer völligen finanziellen Unabhängigkeit wird es allerdings noch lange dauern, räumen Regierungsmitglieder ein. Für je zwei Kronen Öleinnahmen soll in Zukunft der Zuschuss aus Dänemark um eine Krone reduziert werden, bis Grönland kein Geld mehr von dänischen Steuerzahlern erhält.
Über die Verteilung darüber hinausgehender Einkünften will Dänemark, dass sich wegen seiner jahrzehntelangen fürsorglichen Schutzrolle einen Teil vom Kuchen verspricht, dann neu verhandeln.

Grönländer misstrauen eigenen Politikern

Nicht alle Grönländer ist der Sprung Richtung völlig Unabhängigkeit lieb. Das liegt unter anderem an der geringen Vertrauenswürdigkeit, an der viele alteingesessene Politiker, vor allem von der quasi Staatspartei der Sozialdemokraten, leiden. Ein Teil der Bevölkerung vertraut der Regierung in Kopenhagen inzwischen mehr als der eigenen, weil letztere in zahlreiche Korruptions- und Vetternwirtschaftsskandale verwickelt ist, ihr die enormen sozialen Probleme in Jahrzehnten nicht lösen konnte. Dazu gehört teils große Armut.
Viele Grönländer können sich nicht einmal die Reise in die eigene Hauptstadt leisten, dann der Alkoholismus, der sexuelle Missbrauch in Familien, die Abwanderung der jungen Generation und die extrem hohe Selbstmordraten gerade auch bei Jugendlichen.
Das sind auch die Gründe, warum die grönländische Grüne Linkspartei (Inuit Ataqatigiit, IA), die die seit 30 Jahre regierenden Sozialdemokraten (Simuit) erstmals ablöst. Viele Grönländer hoffen, dass sie die alten Verkrustungen auflösen kann. Die königliche Familie ist übrigens erstaunlich populär in Grönland. „Von der königlichen Familie wollen wir Grönländer uns auf keinen Fall trennen“, sagt der Grönländer Mads.
Dementsprechend ist Königin Margrethe II auch ein sehr willkommener Gast am Wochenende. Sie und ihre Nachkommen könnten auf Dauer Staatschef bleiben. Immerhin ist ihre „Amtskollegin“ im benachbarten Großbritannien, Elisabeth II., auch Staatsoberhaupt in unabhängigen Ländern wie Kanada und Australien.