Frankreich: „Revolutionär“, „Nicht-Ereignis“, „ohne Visionen“

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Am Sonntag wurde die Zusammensetzung der neue französisischen Regierung bekannt. Christine Lagarde, alte und neue Wirtschaftsministerin nennt am Montag auf "France Info" die neue Regierung mit ironischem Unterton „ganz und gar revolutionär“ und spricht von einer 360-Grad-Wendung.

Nach der Regierungsumbildung in Frankreich wird sich Präsident Sarkozy am Dienstagabend live im französischen Fernsehen (TF1, France2 und Canal+) erklären. Die erste Ministerratssitzung wurde auf Mittwoch festgelegt. Am Montag stieß die neue Fillon-Regierung, kleiner und konservativer als bisher, auf unterschiedliche Reaktionen aus der französischen Politik. Politische Gegner, aber auch bisherige Weggefährten kritisierten das Ergebnis.

Ségolène Royal von der Sozialistischen Partei (PS) spricht ihr Mitgefühl an die „Centralistes“ aus, die im Zuge der neuen Regierungsbildung zu kurz kamen. „Hierzu zählen Jean-Louis Borloo und Hervé Morin, die nicht mehr dabei sind. Die Sozialisten sollen ab heute die Vorbereitungen zur Wahl 2012 beschleunigen, die Linke soll ihren Weg zur Einheit besiegeln und ihre Zusammenarbeit mit den Grünen vorantreiben“, betont die Präsidentin von Poitou-Charentes auf Europe 1. Sie fügt hinzu, dass sie sich wünsche, dass die Linkspartei den „Centralistes“ die Hand reiche und dass letztere, nachdem sie bei der Regierungsbildung mehrere Ministerposten verloren haben, ihre Eigenständigkeit wieder herstellen solle. „Diejenigen, die den „Sarkozysme“, also jene  brutale Macht, die das Land degradiere, ein Ende bereiten wollen, sind willkommen, und es wäre um einiges einfacher, wenn die Sozialisten (PS) ihre Einheit heftig verteidigen würden“,  betonte Ségolène Royal.

Nationale Identität

Einige antirassistische Organisationen beklagen den Anschluss von Einwanderungs-Angelegenheiten an das Innenministerium und im gleichen Zuge die Auflösung der Bezeichnung „Nationale Identität“ als Trugschluss. „Einwanderungsfragen obliegen nun dem Innenminister Brice Hortefeux, der  in der Vergangenheit in erster Instanz wegen fremdenfeindlicher Aussagen angeklagt wurde“,  sagte am Montag Dominique Sopom, Präsident von SOS Racisme.

Die Vize-Präsidentin des rechten „Front National“ Marine Le Pen spricht von einer „Regierungsumbildung mit viel Polemik“, einem „Nicht-Ereignis fürs französische Volk“. „Wer wird denn glauben, dass Nicolas Sarkozy 18 Monate vor der Präsidentenwahl eine neue Dynamik schafft, indem er den Premierminister beibehält und abgenutzte Minister ohne Bedeutung einsetzt?“ fragt Frau Le Pen in einer Pressemitteilung. Nicolas Sarkozy wolle wohl nichts an den Dingen ändern. Sie erwarte gar nichts von der neuen Regierung. In der Abschaffung des Ministeriums für Einwanderung und Nationale Identität sieht Fran Le Pen eine Niederlage im Kampf gegen die Unsicherheit und die Einwanderung sowie die in Vergessenheit geratene Nationale Identität. Frankreich brauche ihrer Meinung nach eine wahrhaft andere Politik, die wirksam und richtig sei.

Präsident distanziert sich vom Volk

Der frühere Premierminister, Dominique de Villepin sagt am Montagmorgen auf Canal +: „Folgendes Problem beschreibt die französische Situation: es gibt keine Vision, und mit diesem Ausgangspunkt kann man bedauern, dass sowohl die Regierung als auch der Präsident sich vom französischen Volk distanzieren. Dies ist für mich die wichtigste Lektion bei dieser Regierungsumgestaltung. Diejenigen, die in der Regierung das soziale und humane Standbein verkörperten, wie Rama Yade oder Jean-Louis Borloo, müssen gehen. Man sieht eine Regierung die immer mehr zur Kampfansage an die Wahl 2012 wird, die Franzosen sind davon weit entfernt.“ Er fügt hinzu: „Jean-Louis Borloo war einer meiner besten Minister (Arbeitsminister von 2005 bis 2007).“

Die Vorsitzende der oppositionellen Sozialisten, Martine Aubry, kritisierte am Montag die Kabinettsumbildung als „im Wesentlichen von Clan-Denken geprägt“. Der Verteidigungsminister der alten Regierung, Hervé Morin bedauert, dass Sarkozy eine „Regierung der Spannungen“ einer „Regierung der Einheit“ für seine restliche Amtszeit vorgezogen habe.

AFP/AP/dapd