Feilen an der Antrittsrede

Feilen an der Antrittsrede
(Evan Vucci)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Donald Trump sucht dieser Tage nach Worten für seinen Start als US-Präsident.

Sie offenbart zugleich Redekunst und politische Agenda – die Antrittsrede eines neuen US-Präsidenten. Das Jahresende hat der künftige Mann im Weißen Haus, Donald Trump, nicht nur mit Feierlichkeiten in der Familie sondern auch gemeinsam mit Experten und dem Feilen an seiner Antrittsrede verbracht. Am 20. Januar werden ihn die Amerikaner und die ganze Welt an seinen Worten messen. Seinem Sprecher Sean Spicer zufolge verbrachte Trump vor Silvester viel Zeit in seinem Anwesen in Florida, um mit Beratern Redemanuskripte zu diskutieren. Die Antrittsrede eines US-Präsidenten ist der Startschuss für seine Amtszeit.

An ihr misst sich seine Gabe, das Volk zu einen, politische Pläne zu vermitteln und die Nation in den Bann zu ziehen. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen für einen Unternehmer, der nach Herzenslust twittert und lieber die Stimmung der eigenen Anhänger anheizt, statt ein gespaltenes Land zu versöhnen. Für die perfekte Antrittsrede hat sich Trump unter anderem mit dem Historiker Douglas Brinkley getroffen und frühere Reden studiert. Trumps Redenschreiber ist der junge Kalifornier Stephen Miller, ein früherer Berater des künftigen Justizministers Jeff Sessions. Miller hat auch schon Trumps erste Rede als offizieller Präsidentschaftskandidat im Juli verfasst.

Antrittsrede

Die Fußstapfen sind groß: Welch bedeutungsvolle Sätze aus Antrittsreden früherer US-Präsidenten sind nicht schon im kollektiven Gedächtnis hängengeblieben. „Meine amerikanischen Mitbürger, fragt nicht, was Euer Land für Euch tun kann. Fragt, was Ihr für Euer Land tun könnt“, sagte John F. Kennedy 1961. Und sprach davon, dass die „Fackel weitergereicht wurde an eine neue Generation von Amerikanern“. Unvergessen sind auch die Worte von Franklin D. Roosevelt, der 1933 versuchte, der von der Großen Depression geschundenen Nation wieder auf die Beine zu helfen. „Es ist mein fester Glaube, dass das einzige, was wir zu fürchten haben, die Furcht an sich ist.“

Abraham Lincoln sprach 1865 noch während des Bürgerkriegs zu den US-Bürgern: Sie sollten „mit Bosheit gegen niemanden und Barmherzigkeit für jeden“ in die Zukunft schauen. Für Trumps Rede beim Nominierungsparteitag im Juli schaute sich sein Redenschreiber Miller an, was Richard Nixon 1968 vor den Republikanern sagte. Er malte ein ungeschminktes, düsteres Bild der USA: „Wenn wir Amerika anschauen, sehen wir Städte, die in Rauch und Flammen gehüllt sind“, sagte Nixon damals. „Wir hören Sirenen in der Nacht.“ Bei Trump klang das im Juli so: „Unser Parteitag findet während einer Krise für unser Land statt.

Die Angriffe auf unsere Polizisten, der Terrorismus in unseren Städten bedrohen unsere Lebensweise.“ An die Adresse der „vergessenen Männer und Frauen“ des Landes richtete er die Botschaft: „Ich bin Eure Stimme.“ Und noch ein anderer früherer republikanischer Präsident könnte Trump, der im Wahlkampf auf die Eliten schimpfte, als Inspiration dienen. Ronald Reagan wählte 1981 ebenfalls einen unverblümten Ton, um seine Amtszeit einzuläuten: „In der gegenwärtigen Krise ist der Staat nicht die Lösung des Problems. Er ist das Problem.“ Ein übergeordnetes Thema seiner Rede hat Trump wenige Wochen vor seinem Amtsantritt nach Angaben seines Umfelds noch nicht gewählt.

Nicht ganz abwegig dürfte aber sein, dass er sein Augenmerk auf die aus seiner Sicht lahmende Wirtschaft und mehr Jobs legt – so wie er es auch im Wahlkampf getan hat. Die für einen Präsidenten ungewöhnliche Leidenschaft, über Twitter zu kommunizieren, dürfte sich Trump aber bewahren. Auf die Frage, ob Trump weiterhin wichtige politische Stellungnahmen über den Internetdienst verbreiten werde, sagte sein Kommunikationsdirektor Spicer kürzlich: „Sicher, warum nicht?“ Das übliche Geschäft mit den Medien sei vorbei, stellte er klar. „Ein neuer Sheriff ist in der Stadt.“