EU will Regierungen zum solidem Haushalten zwingen

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Die EU will zur Abwehr von Schuldenkrisen in der Währungsunion in Zukunft Ernst machen mit schmerzhaften Geldstrafen gegen Haushaltssünder. Die EU-Kommission schlug am Mittwoch eine umfassende Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes vor.

Geldstrafen gegen zu hohe Defizite sollen danach künftig früher greifen und schwerer von den EU-Regierungschefs zu verhindern sein. Zudem soll ein zu langsamer Abbau der Gesamtverschuldung ebenfalls sanktioniert werden. Auch für Nachlässigkeit bei Wirtschaftsreformen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit müssten die Mitgliedstaaten künftig mit verzinsten Einlagen bei der EU büßen.

Die Änderungen würden dem Stabilitätspakt Biss verschaffen und den politischen Spielraum beim Verhängen von Sanktionen begrenzen, erklärte die EU-Kommission. „Sanktionen werden eine normale Konsequenz, mit der Länder, die ihre Verpflichtungen nicht einhalten, rechnen müssen.“ Die Reform ist unter den EU-Staaten hoch umstritten.

Frankreich lehnt zu große Macht der EU-Kommission ab

Während Deutschland noch härtere Regeln wie einen Stimmrechtsentzug als Strafe fordert, lehnt Frankreich eine zu große Macht der EU-Kommission ab. Der langjährige Schuldenspitzenreiter Italien hat Bedenken gegen Vorgaben zum Abbau der Gesamtverschuldung. Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken- und Raiffeisenbanken warnte, die EU-Staaten dürften die wichtige Reform nicht verwässern.

In Brüssel versammelten sich unterdessen Tausende Arbeitnehmer, um auf einem europäische Aktionstag gegen die Sparpolitik in den EU-Ländern zu protestieren. Spanien beherrschte am Mittwoch ein Generalstreit gegen die Arbeitsmarktreformen.

Strafen auch bei Defizit unter drei Prozent möglich

Der Pakt sieht bereits unverzinsliche Einlagen über 0,2 bis 0,5 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) vor, wenn ein Land längere Zeit die jährliche Neuverschuldung über drei Prozent des BIP belässt. Doch greifen diese erst bei mehrheitlicher Entscheidung der EU-Finanzminister am Ende eines mehrjährigen Strafverfahrens.

Bisher kam es nie zu diesem Schritt. Nach dem Vorschlag der Kommission könnten Sanktionen schon bei geringeren Defiziten verhängt werden, wenn ein Land trotz Ermahnung nicht wie vereinbart den Haushalt ausgleicht. Dann wäre erstmals eine Einlage bei der EU in Höhe von 0,2 Prozent des BIP fällig. Sie würde außerdem verhängt, sobald ein Strafverfahren wegen des Überschreitens der Drei-Prozent-Defizit-Grenze eingeleitet wird.

Nur qualifizierte Mehrheit notwendig

Halbwegs automatisch würden die Strafen dadurch, dass die Finanzminister die Anordnung der EU-Kommission nur mit einer qualifizierten Mehrheit könnten. Bisher war es umgekehrt: Die Kommission brauchte den Rückhalt von zwei Dritteln der EU-Staaten, um einzugreifen.
Auch der unzureichende Abbau der Gesamtverschuldung und Nachlässigkeit im Kampf gegen Probleme mit der Wettbewerbsfähigkeit sollen in Zukunft nicht folgenlos bleiben.
Die EU-Kommission will künftig die Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedstaaten anhand von Indikatoren überwachen. Die Kommission will nach dem Vorbild des Defizitverfahrens ein Sanktionsverfahren gegen übermäßige makroökonomische Ungleichgewichte einführen. Auch hier würden bei hartnäckiger Verweigerung verzinste Einlagen in Höhe von 0,1 Prozent des BIP als Sanktionsmittel drohen.

Die Kommission plant außerdem, auch über das Sperren von Geldern aus EU-Fonds die Daumenschrauben anzuziehen, machte dazu aber noch keinen Vorschlag. Über vier der insgesamt sechs Regelungen entscheidet das Europäische Parlament gemeinsam mit den Mitgliedstaaten.

Reuters