EU-Bürger hegen trübe Zukunftsaussichten

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Die Grundstimmung der europäischen Bürger hat sich in einem Jahr deutlich verschlechtert. Dem gestern veröffentlichten Herbst Eurobarometer zufolge zeigt sich eine große Mehrheit der Befragten besorgt über die Lage der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes. Auch die Zukunft gibt ihnen keinen Anlass zu Optimismus. Von unserer Korrespondentin Marisandra Ozolins, Brüssel

Die derzeitige weltweite Wirtschaftskrise beeinflusst somit maßgeblich die Stimmung der öffentlichen Meinung in der EU. Waren im Herbst 2007 die Europäer noch recht unterschiedlicher Ansicht in der Beurteilung der Wirtschaftslage, so ist die Tendenz jetzt eindeutig pessimistisch.
Der zwischen dem 6. Oktober und dem 6. November 2008 bei über 30.000 Personen durchgeführten Umfrage zufolge sind mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der EU-Bürger der Auffassung, dass die wirtschaftliche Lage in ihrem Land schlecht ist, was einem Zuwachs um 20 Prozentpunkte gegenüber Herbst 2007 entspricht. 58 Prozent (plus 31 Punkte) beurteilen die Situation der gesamten europäischen Wirtschaft als schlecht.
Die Weltwirtschaftslage – dazu wurde die Frage jetzt erstmals gestellt – wird sogar von 71 Prozent der Befragten EU-weit und von 82 Prozent der Luxemburger als desolat angesehen.
Wie üblich zeigt die Länderanalyse Unterschiede. In Luxemburg zum Beispiel schätzen 60 Prozent der Befragten die nationale Wirtschaftslage positiv ein, in Finnland sogar 78 Prozent. In Frankreich hingegen nur 12 Prozent und in Lettland und Ungarn nur 7 bzw. 5 Prozent.

Luxemburgerpessimistisch

Überall sind die positiven Meinungen jedoch rückläufig, in Luxemburg um 21 Prozent. Auch die Lage der EU-Wirtschaft wird in Luxemburg nur noch von 35 Prozent der Befragten (minus 22 Punkte) als gut bezeichnet, während 59 Prozent (plus 26) gegenteiliger Meinung sind.
Zunehmend Sorgen bereitet den Europäern zudem die Lage auf dem Arbeitsmarkt: Für 69 Prozent aller Befragten (plus 8 Punkte) und 52 Prozent der Luxemburger (plus 10) sieht es hier schlecht aus. Pessimismus herrscht ebenfalls hinsichtlich der kurzfristigen Aussichten.
Die Arbeitsmarktlage wird sich in den nächsten 12 Monaten nach Ansicht von 53 Prozent der Befragten EU-weit und 57 Prozent der Luxemburger weiter verschlechtern. Verschlimmern wird sich auch die nationale Wirtschaftslage für über die Hälfte der Europäer (54 Prozent in Luxemburg). Wenn durchschnittlich nur eine relative Mehrheit von 41 Prozent eine Verschlechterung in der gesamten EU und 49 Prozent weltweit erwarten, steigt dieser Anteil in Luxemburg auf 60 bzw. 67 Prozent an.
Die Wirtschaftslage wird außerdem nunmehr für 37 Prozent der EU-Bürger (plus 17 Punkte) als eines der zwei wichtigsten Probleme bezeichnet, mit denen ihr Land konfrontiert ist, auf gleicher Ebene wie die Inflation, die bisher allein an der Spitze stand. In Luxemburg bleibt für 49 Prozent der Befragten die Inflation das größte Problem, gefolgt aber auch hier von der Wirtschaftslage für 30 Prozent (plus 23 Punkte).

EU-Vertrauen:Sogar die Briten …

Trotz allem Pessimismus flößt die Europäische Union den meisten ihrer Bürger weiterhin Vertrauen ein, was der Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margot Wallström, zufolge die Vermutung nahe legt, „dass die Menschen die EU als Teil der Lösung betrachten“.
So sind bei Schlüsselindikatoren wie Zustimmung zur EU-Mitgliedschaft (53 Prozent positive Antworten, plus ein Punkt) oder Vorteile der EU-Mitgliedschaft (65 Prozent, plus 2) die Werte im Vergleich zum Frühjahr 2008 global unverändert geblieben.
In Luxemburg erreicht die Zustimmung zur EU-Mitgliedschaft 71 Prozent (minus 2 Punkte). Von den Vorteilen der Mitgliedschaft sind nach wie vor 68 Prozent überzeugt. Eine – wenn auch leichte – Trendwende ist sogar bei den traditionell euroskeptischen Briten vernehmbar.
Zur EU-Mitgliedschaft nehmen die Bürger des Vereinigten Königreichs entgegen der negativen Mehrheitsmeinung im Frühjahr jetzt zu jeweils gleichen Teilen positive (32 Prozent, plus 2 Punkte), neutrale (31 Prozent, plus 1) und negative Haltungen (30 Prozent, minus 2) ein. Einen Vorteil der EU-Mitgliedschaft sehen zwar immer noch 46 Prozent der Briten nicht ein, die Tendenz ist jedoch um 4 Punkte rückläufig, während die positiven Meinungen um 3 Punkte auf 39 Prozent gestiegen sind. Hat die Krise dazu beigetragen? Womöglich. Eine andere Frage ist, ob die leise Europa-freundliche Brise jenseits des Ärmelkanals anhalten wird.