/ EP-Abgeordnete: Prag soll Lissabon-Vertrag ratifizieren
Anstelle der drei Es (für economy, energy und Europe in the world) ist der tschechische Ratsvorsitz vorerst mit den zwei Gs – für Gas und Gaza – beschäftigt. Zwei Themen, die seine Ratspräsidentschaft „begleiten und prägen“ werden, wie der tschechische Ministerpräsident Mirek Topolanek gestern im Anschluss an die Debatte über die Prioritäten der Tschechen für die nächsten sechs Monate erklärte.
Es waren denn auch diese beiden Themen, die die Debatte im Straßburger Plenum beherrschten. Daneben wurde aber auch Kritik an Tschechien geübt, insbesondere da das Land neben Irland bisher den Lissabonner Vertrag noch nicht ratifiziert hat.
Mirek Topolanek ging mehrfach auf diese Kritik ein und erklärte, dass jedes Land sein eigenes Verfahren habe, den Vertrag zu ratifizieren. Dies könne nicht etwas sein, das erzwungen wird.
Der Lissabonner Vertrag sei eher ein „durchschnittlicher“ Vertrag, „schlechter als Nizza und besser als der künftige“ so Topolanek weiter, der später angab, hier einen Witz gemacht zu haben, während EP-Abgeordnete sich fragten, ob die Dolmetscher sich geirrt hätten. Der tschechische Regierungschef versprach jedoch, die Ratifizierung des Vertrags in seinem Land zu unterstützen. Auch wenn zirka 55 Prozent der Tschechen ein eher negatives Verhältnis zu diesem Vertrag hätten, wie er später erklärte.
Was den wirtschaftlichen Teil der Prioritäten anbelangt, so will die Prager Regierung alle Beschlüsse der 27 zur Finanzkrise umsetzen, die vor allem auf eine mangelhafte Aufsicht der Finanzsysteme zurückzuführen sei, sagte Topolanek. Daneben sollen die vier Freizügigkeiten der EU gestärkt sowie die Regulierungslast für kleine Unternehmen gesenkt werden.
Im Energiebereich soll die Richtlinie über eine Verlängerung der Mindestlagerbestände von 90 auf 120 Tage zu einem Abschluss gebracht werden. Daneben solle sich unter anderem auf neue Energienetze konzentriert sowie die Atomenergie rehabilitiert werden, wie Topolanek weiter ausführte.
Geschlossen auftreten
Auf internationaler Ebene will der tschechische Ratsvorsitz unter anderem die Beziehungen zu den östlichen Nachbarn nach dem Vorbild der Mittelmeer-Union stärken. Neben Georgien und der Ukraine sollte auch eine Strategie für den Kaukasus und die Region um das kaspische Meer entwickelt werden. Die EU müsse sich „aktiver an der Weltpolitik beteiligen“, sagte Topolanek mit Blick auf den Nahost-Krieg. Er glaube aber nicht, dass es der EU gelingen werde, den Konflikt zu lösen. Er wolle daher kurzfristige Lösungen, um ein Ende der Kampfhandlungen herbeizuführen.
Joseph Daul sagte, die EU müsse im gegenwärtigen Gas-Konflikt „einen Block bilden und ein Zeichen der Solidarität setzen“. „Wir können nicht akzeptieren, dass EU-Mitgliedstaaten als Geisel genommen werden“, sagte der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion weiter. Im Nahost-Konflikt forderte Daul ein entschlosseneres Auftreten der EU. „Wir müssen bereit sein, unseren Teil des Multilateralismus zu spielen und uns die militärischen Mittel dazu geben“, so Daul.
„Was wir in den nächsten fünf bis sechs Monaten machen, ist entscheidend für die Beteiligung an den EU-Wahlen“, sagte seinerseits der Vorsitzende der SPE-Fraktion Martin Schulz. „Die SPE hat daher ein Interesse am Erfolg der Rats-Präsidentschaft.“ Für ihre Rolle im Gaza- und Gas-Konflikt brauche die EU „nicht Einzelteile“, sondern müsse als starker wirtschaftlicher und politischer Block auftreten, fuhr Schulz fort. „Die Stärke der anderen ist, dass sich die Europäer teilen lassen“, so der SPE-Vorsitzende weiter.
Angesichts des Gas-Konfliktes forderte Graham Watson, dass Europa stärker in die Pflicht genommen werden müsse, von fossilen zu erneuerbaren Energien überzugehen. Pläne, „unsichere Atomkraftwerke“ wieder in Betrieb zu nehmen, lehnte der Vorsitzende der Liberalen ab. Wie sein Vorredner forderte Watson den tschechischen Ratsvorsitz auf, den Lissabonner Vertrag zu ratifizieren, wenn die EU die Fähigkeit erhalten sollte, seine Handlungsfähigkeit zu erweitern.
Der Vorsitzenden der Grünen wiederum ist das Programm des Ratsvorsitzes „zu oberflächlich“. Ebenso wie Watson kritisierte sie das Vorhaben Tschechiens, einen Teil des US-Raketensystems im Lande installieren zu lassen. „Das ist kein Zeichen einer großen Kohäsion in der Union“, stichelte Monica Frassoni.
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