Ende der Rezession in Sicht

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Offizielle Daten sollen es kommende Woche bestätigen: Die längste Wirtschaftsflaute in Italiens Nachkriegsgeschichte ist vorbei. Aber das Wachstum bleibt schwach.

„Die Rezession ist fast vorbei, der Aufschwung steht vor der Tür“ – das bekamen Italiens Wähler in den vergangenen drei Jahren oft zu hören. Drei Regierungen hatte die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone in dieser Zeit, jede sagte die große Erholung voraus.

Es hat gedauert, aber nun ist dieses Versprechen wohl erfüllt: Am Mittwoch wird das italienische Statistikamt Istat wahrscheinlich bestätigen, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal 2015 leicht gestiegen ist. Es wäre das erste Plus seit Mitte 2011.

Doppelte Herauforderung

Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan hat die gute Nachricht bereits verkündet: „Die italienische Wirtschaft hat die Rezession überwunden“, sagte er Ende April im Parlament in Rom. Doch die Regierung von Ministerpräsident Matteo Renzi, die ihr Amt vor 15 Monaten mit einer Reihe ambitionierter Reformversprechen angetreten hatte, steht nun vor einer doppelten Herausforderung: Sie muss nicht nur die Flaute beenden, sondern auch verlorenen Boden wettmachen.

Die Aufgabe ist enorm. Verglichen mit der Zeit vor dem Beginn der globalen Finanzkrise 2008 ist Italiens Industrieproduktion um ein Viertel gesunken. Das Pro-Kopf-Einkommen ist auf dem niedrigsten Niveau seit 1997, die Arbeitslosigkeit hat sich verdoppelt.

Renzis Programm überzeugt nicht

Bislang hat Renzis Programm nicht hundertprozentig überzeugt. Wie die EU-Kommission in der vergangenen Woche mitteilte, erwartet sie für 2015 ein BIP-Wachstum von nur 0,6 Prozent für Italien. Im Euroraum sind die Aussichten derzeit nur für Griechenland, Zypern und Finnland schlechter. „Das Überraschende ist nicht, dass Italien wieder wächst, sondern wie langsam es wächst“, sagt Professor Luigi Zingales von der Booth School of Business der Universität Chicago.

Schätzungen der italienischen Zentralbank zufolge wird der schwache Aufschwung beinahe ausschließlich von Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) getragen – und nicht von den Regierungsreformen. Am ehrgeizigsten war bisher Renzis Arbeitsmarktreform – sie beinhaltet eine Deregulierung, eine Lockerung des strengen Kündigungsschutzes, neue Hilfen für Arbeitslose sowie großzügige Steuererleichterungen für Firmen, die Vollzeit-Mitarbeiter einstellen.

„Nützliche Reform“

Die EU und ausländische Investoren begrüßen die Reform. „Sie war nützlich“, sagt etwa Stefan Neuhaus, Chef des zum Reiseveranstalter Tui gehörenden Toskana-Resorts Castelfalfi. Aufgrund der Reformen habe er ein Dutzend neuer Mitarbeiter einstellen können.

Die Arbeitslosenzahlen bleiben aber trotzdem hoch. Istat-Angaben zufolge stieg die Arbeitslosenquote im März auf 13 Prozent. In den vergangenen zwölf Monaten seien 70 000 Jobs verloren gegangen. «Die Wirtschaftspolitik der Regierung Renzi führt zu keinem Wachstum, sondern zu einem Aufschwung ohne Schaffung von Arbeitsplätzen», meint Riccardo Sanna von Italiens größter Gewerkschaft, CGIL.

CGIL kritisiert, Renzi habe die Sparpolitik fortgeführt – und fordert, die Wirtschaft mit öffentlichen Investitionen anzukurbeln. Finanziert werden soll dies durch höhere Steuern für Reiche. Auch der Kampf gegen Korruption und Steuerverschwendung müsse vorankommen.

Zu niedriges Wachstum

Eine Volkswirtschaft, die wie Italien aus einer tiefen Rezession kommt, sollte eigentlich um zwei bis drei Prozent im Jahr wachsen, sagt Zingales – nicht um weniger als ein Prozent. Man könne Renzi aber nicht dafür verantwortlich machen, dass nicht alle Probleme sofort gelöst wurden. Dafür seien sie zu groß. Jedoch: „Der Regierung fehlt die Vision, was Italien braucht, um wieder zu wachsen.“

Vor allem das Bankensystem bremst nach Ansicht von Ökonomen den Aufschwung. Die Banken seien veraltet, ineffizient und dominiert von Vetternwirtschaft, sagt Zingales. „Sie geben sterbenden Firmen zu viel Hilfe und vergessen, junge und dynamische Firmen zu fördern.“

Private Investoren sollen helfen

Augusto Coppola vom römischen Startup-Inkubator „LUISS EnLabs“ hofft, dass private Investoren hier helfen können. In Italien gebe es noch genug Vermögende, die nicht wüssten, was sie mit ihrem Geld tun sollen. „Wenn wir nur einen Teil davon in Richtung Innovation lenken könnten, dann würde es wirklich interessant hier werden“, sagt er.

Das langsame Rechtssystem, in dem sich Verfahren über viele Jahre hinziehen, und ein Übermaß an Bürokratie sind weitere Problempunkte. Versprechen, diese anzugehen, hat Renzi bislang nicht eingelöst.

So müssen zum Beispiel Internet-Unternehmen, die Dienstleistungen wie etwa Putzkräfte anbieten, Lizenzen von jeder der zwanzig Regionen Italiens besitzen, kritisiert Coppola. „Das ist Unsinn. Aber es ist ein Fakt, dass ein großer Teil der unternehmerischen Intelligenz in Italien verschwendet wird, um Gesetzesfeinheiten zu umschiffen.“