Ein Leben im Zeichen des Postzugraubs

Ein Leben im Zeichen des Postzugraubs

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Mit einem manipulierten Haltesignal stoppte eine Bande 1963 den Postzug zwischen Glasgow und London und erbeutete 2,6 Millionen Pfund. Der Raubüberfall machte Geschichte. Einer der 15-köpfigen Gang, Ronnie Biggs, zehrte ein Leben lang davon.

Es war das „Verbrechen des Jahrhunderts“: Eine Gruppe von 15 Gangstern stoppte am 8. August 1963 den mit Geldsäcken beladenen Postzug zwischen Glasgow und London – und entkam mit einer Beute von 2,6 Millionen Pfund. Das waren damals etwa 28 Millionen Mark (etwa 14 Millionen Euro), eine stolze Summe. Die Tat ging als „Großer Postzug-Raub“ in die Geschichte ein, die Täter gelten als legendär. Der Berühmteste der Gang, der heute 83-jährige Ronnie Biggs, war lange Jahre im Ausland auf der Flucht und etwa ein Jahrzehnt im Gefängnis. Doch dank dem Interesse der Medien und seinem eigenen Sendungsbewusstsein blieb er im öffentlichen Bewusstsein der Briten erstaunlich präsent. Auch heute, 50 Jahre danach, wird Biggs am ehesten mit der „Great Train Robbery“ in Verbindung gebracht.

Ronnie Biggs ist großer Fußballfan. (dpa)

Nach dem Raub wurde Biggs gefasst und zu einer langen Haftstrafe verurteilt, seilte sich aber 15 Monate später mit einer Strickleiter an einer Mauer des Londoner Wandsworth-Gefängnisses ab. In Paris ließ er sich das Gesicht umoperieren und floh über Australien nach Rio de Janeiro. Seine Frau und seine Kinder ließ er nachkommen.

Er genoss sein Leben

Auf seine Art genoss er das süße Leben in Südamerika, obwohl ihm die britische Medien und die Polizei immer auf den Fersen waren. Da Großbritannien bei seiner Ankunft in Rio Anfang der 1970er Jahre kein Auslieferungsabkommen mit Brasilien hatte, konnte sich Biggs relativ frei bewegen. Vorsichtshalber verließ er abends nach Einbruch der Dunkelheit lieber nicht das Haus. Eine zeitlang blieb er unbehelligt, da seine damalige Freundin schwanger war. Ein brasilianisches Gesetz verbot zu der Zeit die Auslieferung der Eltern eines brasilianischen Staatsbürgers.

Als bekannter Gauner bekam er keine Anstellung, also lud er gegen Bezahlung Touristen zu Grillfesten in seinen Garten ein – und prahlte dann von dem berühmten Raubüberfall. Zeitweise machten Biggs T-Shirts und Kaffeebecher in der brasilianischen Metropole die Runde. Er entdeckte auch eine musikalische Ader und nahm unter anderem mit den Toten Hosen zwei Lieder auf.

2001 ging er nach Großbritannien zurück

Nach einem jahrzehntelangen Exil zog es Biggs zurück in die Heimat. Er kam 2001 gesundheitlich stark angeschlagen nach Großbritannien zurück, wurde sofort verhaftet und kam wieder ins Gefängnis. 2009 wurde er nach mehreren Schlaganfällen wegen seiner gesundheitlichen Probleme aus der Haft entlassen, erholte sich aber.

Zum 50. Jahrestag des Postzugraubs verspürt Biggs, der für sich nur eine kleine Rolle als Handlanger bei dem Überfall attestiert, so etwas wie Stolz. „Wenn Ihr mich fragen wollt, ob ich es bereue, einer der Postzugräuber gewesen zu sein, würde ich nein sagen“, sagte er der Zeitung „Daily Mirror“. „Ich würde sogar weitergehen: Ich bin stolz, eine Rolle gespielt zu haben.“ Bei Biggs schleichen sich aber auch leise Bedenken ein. Bei dem Überfall am 8. August 1963 wurde der Lokführer schwer verletzt, der sich nie wieder richtig erholte. Der Ex-Gangster Biggs bezeichnete dies als „bedauerlich“ und fügte hinzu, die Familien der Menschen, die in den Überfall verwickelt waren, hätten den größten Preis bezahlt. Deswegen bedauere er die Tat auch.