Dilma Rousseff sieht sich als Opfer eines „Putsches“

Dilma Rousseff sieht sich als Opfer eines „Putsches“
(Eraldo Peres)

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Sie überstand die Folter in den Kerkern der Militärdiktatur. Sie besiegte den Krebs. Nun kämpft Dilma Rousseff, suspendierte Präsidentin Brasiliens, um ihr politisches Überleben.

Als sie am Montag im Amtsenthebungsverfahren vor dem Senat die Gelegenheit erhielt, ihre Sicht der Dinge darzulegen, wischte sie die Vorwürfe beiseite und warf ihren politischen Gegnern erneut vor, sie begingen durch ihre Verdrängung aus dem höchsten Staatsamtes einen „Putsch“. Anfang Mai wurde Rousseff vom Parlament für zunächst 180 Tage ihres Amtes enthoben. Ihre Gegner werfen ihr Haushaltstricks und Verletzung ihrer Amtspflicht vor. Nun muss die erste Frau an der Spitze des südamerikanischen Riesenlands endgültig damit rechnen, aus dem Amt gejagt zu werden. Auf der letzten Etappe des Amtsenthebungsverfahrens entscheiden 81 Senatoren über ihr Schicksal. Ihre Abstimmung wird am Dienstag oder Mittwoch erwartet.

„Ich hatte in meinem Leben mit enorm schwierigen Situationen zu tun – einschließlich Angriffen, die mich körperlich an die Grenze brachten“, sagte die 68-Jährige im Laufe des Verfahrens. „Nichts davon hat mich umgehauen.“ In Rousseffs Aussagen spiegeln sich Kampfesmut und Durchhaltewillen wider. „Stimmen Sie gegen die Amtsenthebung, stimmen Sie für die Demokratie!“, forderte Rousseff die Senatoren auf. Wegen ihres Kampfes gegen die Militärdiktatur war Rousseff in den 70er Jahren im Gefängnis gefoltert worden, mit Elektroschocks und anderem.

„Hohepriesterin der Subversion“

Der Richter hatte sie in dem Urteil als „Hohepriesterin der Subversion“ bezeichnet. Als die einstige marxistische Staatsfeindin dann vor sechs Jahren den Sprung ins höchste Staatsamt schaffte, galt sie als neue Lichtgestalt. Sie hatte gerade einen Lymphdrüsenkrebs besiegt, durch Akribie und Fleiß im Kabinett des populären Staatschefs Luiz Inácio Lula da Silva hatte sie sich hochgearbeitet und war von ihm als Nachfolgerin auserkoren worden. Doch hielt der Glanz nicht lange. Schon in ihrer ersten Amtszeit gab es Massenproteste.

Die teure Fußballweltmeisterschaft, die stagnierende und allmählich in eine Rezession abrutschende Wirtschaft, die harten Lebensbedingungen trieben große Teile der Bevölkerung gegen die Präsidentin auf die Straßen. Hinzu kam eine gewaltige Korruptionsaffäre um den Staatskonzern Petrobras. Rousseff leitete von 2003 bis 2010 den Aufsichtsrat des Ölkonzerns. Sie war offenbar in die Schmiergeldzahlungen nicht direkt involviert. Politisch beschädigt hat sie die Affäre dennoch. Gleichwohl schaffte sie 2014 knapp ihre Wiederwahl, in der Stichwahl setzte sich die Kandidatin der Arbeiterpartei mit 51,6 Prozent gegen den Liberalen Aécio Neves durch.

Teure Fußballweltmeisterschaft

Der Niedergang Rousseffs in den Umfragewerten beschleunigte sich jedoch. Die Vorwürfe der Haushaltsmanipulation und der Verletzung ihrer Amtspflichten – die Rousseff bestreitet – verwandelten sich in der öffentlichen Debatte zum allgemeinen Vorwurf des Missmanagements. Im vergangenen Sommer sank die Zustimmungsrate für die Präsidentin auf knapp acht Prozent. Ihr wichtigster Koalitionspartner, die Partei PMDB ihres Stellvertreters Michel Temer, kündigte das Regierungsbündnis dann im März auf.

Die Zusammenarbeit mit dem Kongress kam praktisch zum Erliegen, das ganze Land wirkte wie gelähmt – und das kurz vor den ersten Olympischen Sommerspielen in einem südamerikanischen Land. Die Tochter einer Brasilianerin und eines bulgarischen Geschäftsmanns, die selbst eine Tochter hat und zwei Mal verheiratet war, blieb in allen diesen Monaten kämpferisch. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Senat gilt ihr Verbleib im Amt indes als unwahrscheinlich. Dafür müsste nach Ansicht des Analysten Everaldo Moraes ein „Wunder“ geschehen.