/ Deutschland: Sauerland-Täter akzeptieren lange Haftstrafen
Wegen ihrer Geständnisse, die den Ermittlungsbehörden Einblick in islamistische Netzwerke verschaffte, gewährte ihnen der Strafsenat am Donnerstag Strafnachlässe und blieb leicht unter den Forderungen der Bundesanwaltschaft.
Drei der Angeklagten und die Anklagebehörde nahmen das Urteil noch im Gerichtssaal an, so dass es rechtskräftig ist.
Die Angeklagten hätten „ein ungeheueres Blutbad mit einer unübersehbaren Vielzahl von Toten und Verletzten vornehmlich unter US-Armeeangehörigen“ geplant, sagte Richter Ottmar Breidling bei der Urteilsverkündung. „Wir müssen mit Erschrecken erkennen, dass die Geißel unserer Zeit (…), nämlich der weltweite islamistische Terrorismus, weiter um sich greift“, betonte Breidling zum Abschluss der im April 2009 begonnenen Hauptverhandlung.
Griff nach Polizeipistole als Mordversuch gewertet
Der Senat verurteilte Daniel Schneider und Fritz Gelowicz unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung – der mit Al Kaida sympathisierenden Islamischen Dschihad Union (IJU) – und Verabredung zum Mord zu je zwölf Jahren Haft. Gelowicz hatte eine führende Rolle bei den Anschlagsvorbereitungen gespielt. Schneider hatte sich nach kurzer Flucht bei seiner Festnahme eine Rangelei mit einem Polizisten geliefert und nach dessen Waffe gegriffen, aus der sich ein Schuss löste. Das Gericht wertete dies als Mordversuch.
Wegen Mitgliedschaft in der IJU und Verabredung zum Mord soll zudem der türkische Staatsbürger Adem Yilmaz elf Jahre ins Gefängnis. Der vierte Angeklagte Atilla Selek, der die deutsche Staatsbürgerschaft erworben hatte, erhielt wegen Unterstützung einer ausländischen Terrorvereinigung zu fünf Jahren Haft.
Das Gericht blieb mit seinem Urteil leicht unter den Anträgen der Bundesanwaltschaft, die Haftstrafen zwischen 13 Jahren sowie fünf Jahren und sechs Monaten gefordert hatte. Die Verteidiger hatten auf ein milderes Strafmaß plädiert. Die „Sauerland-Gruppe“ hatte nach Aussagen ihrer Mitglieder bis zu ihrer Festnahme am 4. September 2007 eine Serie von Anschlägen in Deutschland geplant. Unter anderem sollte damit der damals anstehende Bundestagsbeschluss über die Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan beeinflusst werden.
Richter Breidling: Vorbild 11. September
Breidling sagte, die Angeklagten hätten Sprengstoffanschläge „mit einer möglichst hohen Opferzahl“ verüben wollen. Als Anschlagsziele hätten sie Pubs, Diskotheken oder US-Militärbasen wie den Flughafen Ramstein ins Visier genommen.
In ihren Köpfen habe die „Vorstellung von einem Anschlag (..) in der Größenordnung oder doch der Bedeutung eines ‚zweiten 11. September'“ herumgespuckt. Wegen des „Ausmaßes des Tatgeschehens“ habe das Gericht trotz der Geständnisse, die das Verfahren um über ein Jahr verkürzten, „nichts zu verschenken“ gehabt.
Bis auf Gelowicz sagten alle Angeklagten sofort nach dem Richterspruch: „Ich nehme das Urteil an.“ Auch die Bundesanwaltschaft akzeptierte den Richterspruch, den Breidling daraufhin für Yilmaz, Schneider und Selek für rechtskräftig erklärte. Gelowicz erbat sich Bedenkzeit, sein Anwalt Dirk Uden sagte aber, es gebe die „Tendenz, dass das Urteil voraussichtlich rechtskräftig wird“.
Die Bundesanwaltschaft wollte sich nicht zu der Frage äußern, ob Gelowicz Zögern mit der Festnahme seiner Frau in Zusammenhang stehen könnte. Ende Februar hatte die Bundesanwaltschaft sie mit zwei weiteren mutmaßlichen IJU-Helfern festgesetzt. Nach einem Tipp des US-Geheimdienstes hatten rund 600 deutsche Ermittler die Sauerland-Gruppe monatelang überwacht. Dabei beobachten sie auch, wie sich die Gruppe rund 700 Kilogramm Wasserstoffperoxid beschaffte – genug zur Herstellung von etwa 550 Kilogramm Sprengstoff. Beim Aufkochen der Chemikalie in einem Ferienhaus im Sauerland nahm die Polizei drei Männer Anfang September 2007 schließlich fest, Selek ging den Behörden wenig später in der Türkei ins Netz.
Reuters
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