Deutschland: Misshandlungen bei Gebirgsjägern beschäftigen Justiz

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Die entwürdigenden Aufnahmerituale bei Gebirgsjägern in Mittenwald beschäftigen jetzt auch die Justiz.

Die Staatsanwaltschaft München II prüfte am Mittwoch, ob es sich um strafrechtlich relevante Vergehen handelte. Nach internen Ermittlungen der Bundeswehr gab es bereits seit Ende der 80er Jahre zunächst relativ harmlose Initiationsrituale, die sich offenbar zu einer „exzessiven Geschichte“ entwickelt hätten, wie der Sprecher der 10. Panzerdivision, Peter Wozniak, dem DAPD sagte.

Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der selbst Anfang der 1990er Jahre bei den Gebirgsjägern gedient hat, bekam nach eigenen Angaben während seiner Dienstzeit nichts von Misshandlungen an Wehrpflichtigen mit, wie er der „Sächsischen Zeitung“ sagte: „Ich hatte von solchen Praktiken keine Kenntnis“, wurde der CSU-Politiker zitiert. Er sei aber auch nicht beim Hochgebirgsjägerzug gewesen.  Ebenso wie der Wehrbeauftragte des Bundestags, Reinhold Robbe, der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, und die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP, Elke Hoff, forderte der Minister schnelle Aufklärung und Konsequenzen.

Im Zentrum der seit dem 4. Februar laufenden Ermittlungen der Bundeswehr stehen drei bis fünf Personen, die alle noch der Truppe angehören, wie Presseoffizier Wozniak sagte. Allerdings hätten die vom Kompaniechef und vom Bataillonskommandanten geführten Vernehmungen ergeben, dass ehemalige Soldaten die treibende Kraft bei den Vorfällen gewesen seien.

Alkohol bis  zum Erbrechen und rohe Schweineleber

Der Rekrut, der die Beschwerde beim Wehrbeauftragten des Bundestags eingereicht hatte, ist nach diesen Angaben seit September nicht mehr in der Bundeswehr. Danach mussten Rekruten im Juni 2009 in Mittenwald bis zum Erbrechen Alkohol trinken und rohe Schweineleber, Rollmöpse und Frischhefe essen, um in einer internen Hierarchie mit dem Namen „der Hochzugkult“ aufzusteigen.

Zu Details der Rituale gebe es noch keine Erkenntnisse, sagte Presseoffizier Wozniak. Sie seien aber außerhalb der Dienstzeit und meist auch außerhalb der Kaserne abgelaufen. Zudem seien keine Offiziere anwesen gewesen, betonte er. Die Vorfälle beschränkten sich nach seinen Angaben auf den Hochgebirgsjägerzug, eine Einheit mit derzeit 24 Mann, die auf den Einsatz im Hochgebirge spezialisiert sind.

Vorgesetzte sollen davon gewusst haben 

Dazu, wie weit Offiziere von den Vorfällen wussten, gibt es unterschiedliche Angaben. Laut Beschwerde waren die Vorgesetzen über alles informiert, schritten aber nicht ein. Wozniak sagte dagegen, die Vorgesetzten hätten von dem Vorfall vom Juni 2009 keine Kenntnis gehabt. Allerdings gebe es Hinweise, dass früher Vorgesetzte von Ritualen Kenntnis gehabt hätten. Der Wehrbeauftragte Robbe sagte dazu, das spiele für ihn persönlich eine untergeordnete Rolle. „Denn: Die Dinge (…) haben einen direkten Bezug zur Ausbildung der jungen Rekruten, sie haben einen Bezug zum Wehrdienst und das ist für mich ganz entscheidend. Es spielt jetzt keine Rolle, ob das dann formal nach Dienstschluss passiert ist oder ob es innerhalb der Dienstzeit passiert ist. Das ist eigentlich sogar untergeordnet“, fügte Robbe bei N-TV hinzu.

Vor sechs Jahren hatte der Bundeswehr-Skandal von Coesfeld für große öffentliche Empörung gesorgt. Im Sommer 2004 hatten Ausbilder insgesamt 163 Rekruten bei simulierten Geiselnahmen gequält und gedemütigt. Was genau geschah, ist wegen des Schweigens der mutmaßlichen Täter noch immer nicht ganz geklärt. Auch die strafrechtliche Aufarbeitung ist noch nicht abgeschlossen. DAPD