Deutschland: Lafontaine gibt Parteivorsitz der Linken auf

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Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine zieht sich wegen seiner Krebserkrankung aus der Bundespolitik zurück. Der 66-Jährige gab am Samstag in Berlin bekannt, dass er beim Parteitag im Mai nicht erneut für den Spitzenposten kandidieren wird.

Auch sein Bundestagsmandat legt er nieder, er bleibt aber Fraktionschef im Saarland. Dem Abschied von der großen politischen Bühne geht ein langer Entscheidungsprozess voraus. Der von ihm mitgegründeten Partei schrieb er ins Stammbuch, sich programmatisch klar abzugrenzen. Das Personalkarussell um seine Nachfolge ist bereits eröffnet. Lafontaine hatte im November eine Krebs-Operation vornehmen lassen müssen. Nach einer Sitzung des Parteivorstands in Berlin sagte er, noch gebe es keine Gewissheit, ob er die Krankheit überwunden habe: „Der Krebs war ein Warnschuss, über den ich nicht hinweggehen kann.“ Der äußerlich fit wirkende und gelöst auftretende Lafontaine betonte, sein Rückzug habe ausschließlich gesundheitliche Gründe und nichts mit den Personaldebatten der letzten Wochen zu tun. Lafontaine hatte sich mit dem scheidenden Linken-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch überworfen.
Die Entscheidung sei ihm sehr schwergefallen, sagte Lafontaine. Er habe mehrere Krankheits-Attacken zu überstehen gehabt und lange nachgedacht. Die Partei sei aber in der Lage, ihren erfolgreich eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Dabei seien weniger die Personen als die politischen Inhalte entscheidend. Der Partei sei es etwa in der Afghanistan-Frage gelungen, Themen zu setzen, und die anderen Parteien vor sich her zu treiben. Jetzt habe die Linke gute Chancen, im Mai in den Landtag Nordrhein-Westfalens einzuziehen.

„ES TUT WEH“

Fraktionschef Gregor Gysi nannte die Entscheidung schmerzlich: „Es tut ausgesprochen weh.“ Ohne Lafontaine würde es die Linke nicht geben. Der frühere SPD-Chef, Bundesfinanzminister und saarländische Ministerpräsident führt die Linkspartei seit ihrer Gründung 2007. Gysi sagte, Lafontaine wisse, „worauf die Bevölkerung anspringt“ und könne dies auch zugespitzt ausdrücken. „Er ist nicht ersetzbar“, sagte Gysi. Zu möglichen Nachfolgern wollten sich Lafontaine und Gysi nicht äußern. Gysi sagte, es sei Aufgabe seiner Generation, den Vereinigungsprozess von PDS und WASG zu vollenden. Dazu wolle er seinen Beitrag leisten. Direkten Fragen zu möglichen eigenen Ambitionen wich Gysi ebenso wie Parteivize Klaus Ernst aus. In Parteikreisen hieß es, für Lafontaines Nachfolge seien mehrer Personen denkbar. Genannt wurden die Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch und Petra Pau sowie Ernst. Es sei aber auch denkbar, dass Gysi für eine befristete Zeit auch die Partei führe. Geklärt werden muss grundsätzlich, ob die Partei wie vorgesehen auf eine Doppelspitze verzichte und nur einen Vorsitzenden bestimmt, oder die Doppelspitze beibehält. FDP-Chef Guido Westerwelle sagte der „Bild am Sonntag“, so sehr er Lafontaine politisch bekämpft habe, so sehr bedauere er den Anlass für seinen Rückzug und wünschte ihm Gesundheit. Die stellvertretende SPD-Chefin Hannelore Kraft bot den Mitgliedern der Linken einen Wechsel zur SPD an.

Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, die Partei müsse sich nun entscheiden, ob sie weiter den Weg in die polternde Fundamentalopposition gehen wolle oder die Chance ergreife, verantwortlich Politik zu gestalten. Lafontaine sagte, er werde sich auch künftig zur Bundespolitik äußern. Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten von Linken, SPD und Grünen veröffentlichte in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ einen gemeinsamen Aufruf, in dem sie ihre Parteien aufforderten, ab sofort auf eine rot-rot-grüne Mehrheit im Bund hinzuarbeiten. Es müsse geklärt werden, wie es jenseits von Union und FDP zu parlamentarischen Mehrheiten kommen könne, hieß es darin.

Reuters