/ Brüssel brandmarkt französische Roma-Abschiebungen als Schande
Justizkommissarin Viviane Reding brandmarkte das französische Vorgehen am Dienstag als „Schande“ und kündigte rechtliche Schritte an. Sie sei nicht nur entsetzt darüber, dass Menschen nur aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit ausgewiesen würden. Sie sei auch schockiert darüber, von der französischen Regierung belogen worden zu sein, erklärte die Kommissarin.
Grund für die scharfe Verurteilung ist ein Dienstanweisung des Büroleiters von Innenminister Brice Hortefeux, in der die Präfekten des Landes aufgefordert werden, „systematisch“ unzulässige Lager zu „zerstören“, und zwar „zu erst die der Roma“.
Die Anweisung stammt vom 5. August, wurde aber erst am Wochenende von französischen Medien veröffentlicht. Sie belegt eindeutig das gezielte Vorgehen gegen die Minderheit der Roma.
Genau das hatten Einwanderungsminister Eric Besson und Europaminister Pierre Lellouche in einem Treffen mit Reding am 2. September in Brüssel aber abgestritten. Sie könne nur ihr tiefes Bedauern darüber ausdrücken, dass die Zusicherungen zweier Minister in klarem Widerspruch zu einer Anweisung der selben Regierung stünden, sagte Reding. Das sei „nicht nur ein geringfügiges Vergehen, das ist eine Schande.“
Seit Ende Juli haben die französischen Behörden weit über 100 Siedlungen der Roma aufgelöst und mehr als 1.000 Menschen in ihre Herkunftsländer Bulgarien und Rumänien zurückgeschickt. Paris begründet das Vorgehen mit dem Schutz der öffentlichen Ordnung.
Menschenrechtsgruppen werfen Staatspräsident Nicolas Sarkozy aber vor, mit seiner aggressiven Ausländerpolitik um Wähler am rechten Rand zu buhlen.
Die Kritiker an dem Vorgehen reichen von den Vereinten Nationen bis zum Papst. Innenminister Hortefeux unterzeichnete am Montag zwar eine neue Dienstanweisung, in der die Volksgruppe der Roma nicht mehr auftaucht.
Für Reding kommt dies aber zu spät. „Ich bin persönlich überzeugt, dass die Kommission keine Wahl hat, als ein Vertragsverletzungsverfahren zu eröffnen“, sagte sie. Sie halte die Ausweisungen für einen Verstoß gegen das Recht auf Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit aller EU-Bürger. Zu möglichen Strafen gegen Paris sagte Reding zunächst nichts, betonte aber: „Wir werden unsere Pflicht tun.“
AP