„Beziehungen EU-Russland an einem Scheideweg“

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Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich gestern auf das weitere Vorgehen der Europäischen Union im Georgien-Konflikt geeinigt. Nicht eventuelle Sanktionen, sondern die Bereitschaft, die Krise friedlich zu lösen, wird dabei im Mittelpunkt stehen./ Von unserem Redakteur Guy Kemp, Brüssel

Die EU vermittele mit ihrem Gipfeltreffen eine „sehr starke Botschaft der Einigkeit“, erklärte der EU-Ratsvorsitzende und französische Präsident Nicolas Sarkozy nach den Diskussionen im Europäischen Rat. Und erinnerte an ein Gipfeltreffen im Jahre 2003, bei dem sich die Beteiligten uneins über den US-Einmarsch in den Irak trennten.
Die 27 seien sich darin einig, dass der vom EU-Ratsvorsitz vermittelte und am 12. August von den beiden Streitparteien geschlossene Sechs-Punkte-Plan über einen Waffenstillstand zwischen Russland und Georgien von beiden Seiten „integral umgesetzt“ werden muss.

EU fordert Rückzug der Russen

Es sei dies das einzige Dokument, das von allen anerkannt wird, so Sarkozy, der am 8. September mit dem französischen Außenminister Bernard Kouchner, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und dem Hohen Beauftragten der EU, Javier Solana, in die georgische Hauptstadt und nach Moskau reisen wird, um über die weitere Umsetzung des Sechs-Punkte-Planes zu diskutieren. Haben sich bis zu diesem Zeitpunkt die russischen Truppen nicht vollständig aus Georgien zurückgezogen, habe dies Konsequenzen für die Beziehungen zwischen der EU und Russland, erklärte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn.
In den Schlussfolgerungen des Rates heißt es, dass „die Treffen zur Aushandlung des Partnerschaftsabkommens verschoben“ werden, wenn sich die russischen Truppen nicht zurückziehen. Erst im Juli dieses Jahres hatten sich die EU und Russland auf eine Wiederaufnahme der Verhandlungen über ein solches, von beiden Seiten gewünschtes Partnerschaftsabkommen geeinigt, nachdem die Diskussionen jahrelang wegen Handelsstreitigkeiten zwischen Russland und Polen, und später Litauen, blockiert waren.
Eventuelle Sanktionen seien kein Thema der Gespräche gewesen, auch wenn sie von einigen osteuropäischen Ländern „angedacht“ worden seien, erläuterte Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker. Vielmehr soll statt dessen die humanitäre Hilfe für die Betroffenen des Konflikts in den Mittelpunkt gestellt werden, forderte er.
Um den Wiederaufbau Georgiens zu unterstützen, soll auf Initiative der EU in Kürze eine internationale Konferenz einberufen werden. Die Union wird ebenfalls einen Sonderbeauftragten für die Georgien-Krise ernennen, die Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Südossetien bedeutend verstärken. Zudem wird eine Erkundungsmission der Union in die Region entsandt, die die „Modalitäten für ein verstärktes Engagement der EU“ ausloten soll.

„Yalta, cest fini!“

Das Gipfeltreffen sei nicht gegen Russland gerichtet, so Sarkozy. Dennoch zeigten sich die 27 „besorgt“ über den Konflikt und die „unverhältnismäßige Reaktion Russlands“. Verurteilt wird die Anerkennung Abchasiens und Südossetiens durch den russischen Präsidenten.
Was Sarkozy mit der Bemerkung quittierte: „Yalta, cest fini!“ Juncker meinte, es sei „weltfremd, zu glauben, Russland würde die Anerkennung der beiden georgischen Regionen rückgängig machen“. Die 27 riefen aber alle anderen Staaten dazu auf, Abchasien und Südossetien nicht anzuerkennen.
Durch die Krise in Georgien seien die „Beziehungen der Europäischen Union zu Russland an einem Scheideweg“ angelangt, erklärten die 27 weiter in ihren Schlussfolgerung zum Krisentreffen über den Kaukasus-Konflikt. Doch wurde gestern immer wieder betont, dass eine Lösung mit Russland nicht nur wegen der gegenseitigen Abhängigkeit voneinander gefunden werden müsse.
„Die EU kann als einzige den Konflikt entschärfen“, sagte daher Jean Asselborn. Dabei gelte es, die Ost-West-Debatten innerhalb der EU zu überwinden, da diese zu einer Selbstblockade führe, so der luxemburgische Außenminister weiter.
Daher plädierte auch der luxemburgische Europaminister Nicolas Schmit dafür, jetzt „Vernunft walten zu lassen“. Sanktionen hätten nicht viel gebracht, zeigt er sich überzeugt. Russland damit zu drohen, eine Mitgliedschaft bei der Welthandelsorganisation zu verweigern, würde nichts bringen, da sich Russland dort selbst blockiere. Und auch die Visa-Erteilung zu erschweren, sei nicht der geeignete Weg, so Nicolas Schmit weiter. Die gestörten bilateralen Beziehungen mit Russland würden ohnehin schon Wirkung zeigen, indem das Misstrauen von Investoren in Russland zunehme.
Im Zusammenhang mit den Sanktionen wurde die Abhängigkeit der EU auch von russischem Gas und Öl als Gegenargument ins Spiel gebracht. Um diese Abhängigkeit zu vermindern, wollen die 27 das Klima- und Energiepaket so schnell wie möglich umsetzen. Zudem sollen die Energieversorgung und die Lieferwege diversifiziert werden, heißt es in den Schlussfolgerungen des Rates.