Australien: Patt nach australischer Parlamentswahl

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Patt nach der Parlamentswahl in Australien: Erstmals seit fast 70 Jahren hat keine der beiden großen Parteien eine Mehrheit gewonnen. Ministerpräsidentin Julia Gillard teilte am Sonntag mit, sie habe Verhandlungen mit unabhängigen Kandidaten über eine Unterstützung für ihre Labour-Regierung aufgenommen.

Aber auch ihr konservativer Gegenspieler Tony Abbott erklärte, er sondiere mit den Unabhängigen und den Grünen. Nach Auszählung von 78 Prozent der Stimmen kam nach Angaben der Wahlkommission Gillards Labour-Partei auf 70 und das von Abbotts Liberaler Partei geführte konservative Bündnis auf 72 der 150 Sitze.

In fünf Wahlkreisen war der Ausgang ungewiss. Möglicherweise steht das amtliche Endergebnis erst in einer Woche fest. Gillard sagte, nach ihrer Einschätzung werde auch nach Auszählung aller Stimmen keine Partei eine eigene Mehrheit von mindestens 76 Stimmen haben. Sie wolle über Verhandlungen eine stabile Regierung herbeiführen. Sondierungen liefen mit drei unabhängigen Abgeordneten, dem voraussichtlich einzigen Grünen-Abgeordneten und einem Unabhängigen, der seinen Sitz noch nicht sicher habe.
Abbott führte als dritter Oppositionsführer in der dreijährigen Labour-Regierungszeit sein Parteienbündnis wieder in Reichweite der Macht. Er wolle eine stabile Regierung für Australien, sagte Abbott, und sprach Labour ab, diese angesichts einer sich anbahnenden Zerreißprobe wegen Stimmenverlusten und dem parteiinternen Putsch Gillards vor zwei Monaten gegen ihren Vorgänger Kevin Rudd bilden zu können. Bei der Wahl 2007 hatte Labour 83 Mandate erhalten. Am Sonntag gab es erste parteiinterne Kritik an Gillard von Labour-Politikern, die ihren Sitz verloren haben. Eine Abgeordnete sagte ausdrücklich, sie habe ihren Sitz verloren, weil Rudd gestürzt worden sei. Einige Labour-Politiker machten für die herben Verluste eine Reihe von für Gillard schädlichen Veröffentlichungen verantwortlich, hinter denen Rudd-Anhänger vermutet werden.

Rudd an Emissionshandel und Steuern für Bergbau gescheitert

Die vorgezogene Neuwahl war von der seit zwei Monaten amtierenden Gillard angesetzt worden, um ihr Mandat bestätigen zu lassen. Die 48-jährige Anwältin hatte Rudd gestürzt und an der Regierungs- und Parteispitze abgelöst. Rudd war politisch angeschlagen, nachdem er Ende April seine Pläne aufgab, dem Klimaschutz zuliebe ein Emissionshandelssystem in Australien einzuführen.
Eine millionenschwere Werbekampagne der Bergbauindustrie gegen Rudds Pläne für höhere Ertragssteuern hatte in Umfragen einen steilen Absturz seiner Popularität zur Folge. In dieser Situation wurde er von Gillard, bis dahin seine Stellvertreterin, gestürzt. Der Streit um den Emissionshandel brachte den Grünen ihren ersten Sitz im Abgeordnetenhaus ein. Im Senat bauten sie ihre Präsenz von fünf auf neun Sitze aus. Sie könnten dort nun den Ausschlag dafür geben, welche der großen Parteien im Oberhaus eine Mehrheit hat. Die oppositionellen Liberalen unter Abbott hatten Rudds Pläne für den Emissionshandel im Senat blockiert. Neben dem Klimaschutz beherrschten die Themen Einwanderung und Gesundheitspolitik den Wahlkampf.

AP