Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen umstritten

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Die eventuelle Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen in der EU nach der angekündigten Schließung des US-Gefangenenlagers beschäftigte gestern die EU-Außenminister in Brüssel, neben der Entwicklung im Nahen Osten nach dem Waffenstillstand im Gazastreifen. Von unsererKorrespondentinMarisandra Ozolins, Brüssel

Die eventuelle Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen in der EU nach der angekündigten Schließung des US-Gefangenenlagers beschäftigte gestern die EU-Außenminister in Brüssel, neben der Entwicklung im Nahen Osten nach dem Waffenstillstand im Gazastreifen.
Von unsererKorrespondentinMarisandra Ozolins, Brüssel

Die vom neuen amerikanischen Präsidenten Barack Obama angekündigte Schließung von Guantanamo, wo Hunderte von mutmaßlichen Terroristen in der Bush-Ära unter von Menschenrechtsorganisationen wiederholt kritisierten Umständen jahrelang gefangen gehalten wurden (und noch werden), sei von allen EU-Mitgliedstaaten begrüßt worden, erklärte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn.
Was die Schließung des Lagers selbst betrifft, so sei das einzig und allein Sache der USA, fügte er hinzu. „Sie haben Guantanamo geschaffen, sie müssen es wieder abschaffen“, betonte er. Europa habe hier nicht zu „helfen“, denn damit könnte es politisch gesehen implizit mitverantwortlich gemacht werden.
Etwas anderes sei der humanitäre Standpunkt. Von den rund 250 in Guantanamo noch einsitzenden Gefangenen gebe es etwa 50 Personen, denen man „nichts nachweisen“ könne. Falls sie weder in den USA bleiben noch nach Hause zurückkehren könnten, könne die EU vor dem Problem „nicht die Augen verschließen“.
Die Angelegenheit dürfe jedoch Asselborn zufolge nicht bilateral zwischen einzelnen Mitgliedstaaten und den USA behandelt werden, sondern müsse „auf europäischer Ebene angegangen“ werden.

„KoordinierteAktion“

„Wir wollen eine koordinierte politische Aktion“, unterstrich seinerseits der tschechische Außenminister und Ratspräsident Karel Schwarzenberg, der nicht verhehlte, dass die „delikate“ Frage einer möglichen Aufnahme dieser Menschen in die EU keine Freudenausbrüche unter den Ministern hervorgerufen habe.
Es seien sowohl politische als auch sicherheitsbedingte Probleme zu berücksichtigen, die eingehend geprüft werden müssten, erklärte er.
Die Entscheidung, ob Guantanamo-Insassen in die EU aufgenommen werden können, bleibt auf jeden Fall den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen. Mehrere Länder, wie Dänemark, die Niederlande, Österreich oder Schweden, ließen bereits gestern wissen, dass ihre Gesetzgebung dies nicht erlaube.
Andere wie Italien, Portugal oder Frankreich zeigten Entgegenkommen, machten aber auch, wie Asselborn, eine enge Abstimmung der EU-Staaten zur Voraussetzung.
Konkret wurde Asselborn zufolge die EU-Kommission aufgefordert, alle Problemfelder aufzuzeichnen und in erster Linie herauszufinden, „was die USA wollen“. Bisher liegt den Europäern in der Tat noch keine offizielle Anfrage der Amerikaner vor. Außerdem sollten europäische Experten die Lebensläufe der besagten Personen und deren Wünsche überprüfen. „Das kann Wochen oder Monate dauern“, meinte der luxemburgische Minister, dem zufolge auch sein Land „nicht von vornherein Nein“ sage, die Sicherheitsaspekte jedoch gründlich analysiert werden müssten.
Zum zweiten zentralen Thema der Ratsberatungen, dem Nahost-Konflikt, zog Jean Asselborn Bilanz der informellen Treffen der EU-Außenminister vom Mittwochabend mit ihrer israelischen Amtskollegin und vom Sonntagabend mit den Vertretern der Palästinenserbehörde sowie Ägyptens, Jordaniens und der Türkei.
Fazit: „Europa ist nicht in der Lage, das Nahost-Problem zu lösen. Europa muss auf diejenigen hören, die für Mäßigung eintreten.“ Und dies seien in erster Linie die Ägypter sowie auch die Palästinenser. Falls es gelinge, eine palästinensische Regierung zu bilden, die das palästinensische Volk repräsentiere, hätten beide sowohl die EU als die USA und Israel eindringlich aufgefordert, „diese Regierung zu akzeptieren“, sagte Asselborn.

„Einheitsregierungakzeptieren“

In einer Erklärung des Rats ermutigten die EU-Außenminister gestern in dieser Hinsicht „nachdrücklich“ die Palästinenser zur „Versöhnung hinter Präsident Mahmud Abbas“ als „Schlüssel für Frieden, Stabilität und Entwicklung“. Eine Regierung der nationalen Einheit sei für den Nahost-Friedensprozess und den Gazastreifen „von wesentlicher Bedeutung“, betonte Asselborn. Ohne diese Regierung werde es weder eine Wiedereröffnung der Übergänge nach Ägypten und Israel noch effiziente humanitäre Hilfslieferungen nach Gaza geben. Wenn eine palästinensische Einheitsregierung entstehe – und die Ägypter hofften auf ein Ergebnis bis Ende Februar –, dann „müssen wir sie akzeptieren“, sagte Asselborn.
Dass eine derartige Regierung auch Hamas-Vertreter umfassen würde, ist für den Minister in der gegenwärtigen Lage nicht das Wichtigste. „Hamas ist eine schreckliche terroristische Bewegung, aber wir dürfen die Debatte jetzt nicht auf Hamas konzentrieren“, unterstrich er.
Zu den israelischen Zerstörungen im Gazastreifen und den Vorwürfen von Kriegsverbrechen forderte Asselborn Aufklärung. Die EU werde die Untersuchungen über etwaige Verletzungen des internationalen humanitären Rechts „genau verfolgen“, heißt es auch in der Ratserklärung.