/ Als die Welt vor einem Atomkrieg stand

Ein alles vernichtender Atomkrieg ist nur einen Knopfdruck entfernt, als im Oktober 1962 sowjetische U-Boote und US-Kampfschiffe vor Kuba aufeinandertreffen. Vor 50 Jahren, am 22. Oktober 1962, machte der damalige US-Präsident John F. Kennedy in einer historischen Rede an die Nation die Kubakrise öffentlich. Die erbitterte Auseinandersetzung war einer der Meilensteine des Kalten Krieges – und ein Wendepunkt.
Luftaufnahme von sowjetischen Raketenabschußrampen, Raketentranportern und Tanklagern auf Kuba im Oktober 1962. (dpa)
„Die Kubakrise entspringt der strategischen Schwäche der Sowjetunion“, sagt Matthias Uhl vom Deutschen Historischen Institut in Moskau der Deutschen Presse-Agentur. So war das kommunistische Riesenreich den USA etwa bei Interkontinentalraketen stark unterlegen. Daher wollte Sowjetführer Nikita Chruschtschow heimlich Raketen näher am Feind stationieren.
Kuba, der neue Verbündete
Zugleich hatte die Sowjetunion damit ein Gegenmittel zu US-Raketen in Großbritannien, Süditalien und der Türkei in der Hand. Der neue Verbündete Kuba – auf der Insel hatten erst wenige Jahre zuvor Kommunisten unter Revolutionsführer Fidel Castro die Macht erobert – war zudem militärisch geschützt. Und letztlich wollte Chruschtschow Druck auf die USA in der andauernden Berlinkrise ausüben.
Doch Luftaufklärer der USA entdeckten die getarnten Rampen. Zahlreiche US-Städte waren in Reichweite der sowjetischen Raketen – diese unmittelbare Existenzbedrohung nahm Washington nicht hin. Kennedy reagierte und verhängte eine Seeblockade um die karibische Insel. Es begann ein beispielloses Kräftemessen auf hoher See.
Hohe Kampfmoral auf Kuba
Castro zeigte sich zur Schlacht bereit. „Die Moral des Volkes ist außerordentlich hoch, und das Volk wird der Aggression heroisch entgegentreten“, schrieb er an Chruschtschow. Strotzend vor Selbstvertrauen nach dem Sieg über eine exil-kubanische Invasionstruppe in der Schweinebucht im April 1961 war Castro bereit, den USA in der „Oktoberkrise“, wie sie auf Kuba heißt, erhobenen Hauptes entgegenzutreten.
Diese ersten Jahre nach dem Sieg der Revolution waren auch eine Zeit der Euphorie. „Es waren Jahre patriotischer Glut“, erinnert sich die 55-jährige Caridad aus Havanna, die als Kind die Krise erlebte. Am Küstenboulevard Malecón waren mächtige Luftabwehrbatterien auf den Atlantik gerichtet. Nach einem 13 Tage langen Nervenkrieg und Geheimdiplomatie drehten die sowjetischen Transportschiffe ab.
Kennedy, wirklich ein Sieger?
„Kennedy hat das Ende als Erfolg verkauft“, sagt Historiker Uhl. Dabei hat der US-Präsident durchaus seinem sowjetischen Gegenüber nachgegeben. Denn der Mann im Weißen Haus verspricht, Kuba nicht anzugreifen – und er lässt heimlich die US-Raketen aus der Türkei wieder abziehen. Darüber aber war Stillschweigen ausgemacht. Da Chruschtschow sich daran hielt, gilt Kennedy bis heute als strahlender Sieger im Raketenpoker um Alles oder Nichts.
„Chruschtschow sieht wie der Verlierer aus, es war aber eher ein Unentschieden“, urteilt Uhl. „Letztendlich hat ihn das politisch den Kopf gekostet.“ Nachfolger Leonid Breschnew stellte Chruschtschow immer wieder als Hasardeur hin und verwies dabei auch auf dessen angebliche Nachgiebigkeit in der Kubakrise.
Castro wütend auf Chruschtschow
Auch Castro war mit dem Ergebnis unzufrieden. Kuba hatte gehofft, dass die USA auf sowjetischen Druck hin die Marinebasis Guantánamo zurückgeben und das Handelsembargo aufheben würden. Doch daran hat sich bis heute nichts geändert. Castro nahm Chruschtschow das Abkommen hinter seinem Rücken übel. Die Insel sei nur ein „Tauschobjekt“, schäumte er.
Der hochdramatische Streit um die sowjetischen Nuklearraketen ist letztlich aber die Grundlage für eine wichtige Entscheidung der verfeindeten Lager. Denn beiden Seiten ist bewusst, wie nah die Welt in dieser Zeit vor einem Atomkrieg stand. So hatten die sowjetischen U-Boote rund um Kuba Nukleartorpedos an Bord. Die Kapitäne hatten Feuererlaubnis, aber keinen Funkkontakt mit Moskau für eine Rückversicherung. Als die Amerikaner ein U-Boot mit Übungsbomben zum Auftauchen zwangen, verhinderte der sowjetische Offizier Wassili Archipow, dass sein Kapitän den Auslöser drückt.
„Die Kubakrise war ein Wendepunkt des Kalten Krieges“, meint der Wissenschaftler Uhl. Nun setzen direkte Verhandlungen zwischen den Führungsmächten der beiden Blöcke ein, die Abrüstungsbemühungen beginnen. „Das Atomteststoppvertrag von 1963 wäre ohne die Kubakrise nicht möglich gewesen“, so die Einschätzung des Experten. Darin versicherten sich die USA, Großbritannien und die Sowjetunion, weitgehend auf Atomwaffentests zu verzichten.
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