Afghanisierung und Zwei-Staaten-Lösung

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Am Mittwoch und gestern war Außenminister Jean Asselborn auf Besuch in Norwegen. Im Mittelpunkt der Gespräche standen bilaterale Angelegenheiten und die Nahost-Problematik./ Von unserem Redakteur Serge Kennerknecht, z.Z. Oslo

Der Nahe Osten, die Beziehungen zu Russland, die Finanzkrise und eine mögliche Kooperation zwischen Luxemburg und Norwegen für Technologien in Sachen erneuerbare Energie standen auf der Tagesordnung bei den verschiedenen Treffen in Oslo. Im Anschluss an das Treffen unterstrichen sowohl der norwegische Außenminister Jonas Gahr Store als auch Jean Asselborn die guten Beziehungen, die Luxemburg und Norwegen auf politischer Ebene pflegen. Für Jonas Gahr Store ist es für Norwegen als „kleines“ Land wichtig, sich mit anderen Ländern abzusprechen.
Mit Bezug auf die Situation in Afghanistan waren sich beide Politiker darüber einig, dass der Moment gekommen sei, eine bessere Afghanisierung des Konfliktes in die Wege zu leiten. Man solle die Afghanen ihr Land selber verwalten und in Richtung Demokratie führen lassen, so Store. Daher sei es wichtig, dass die anstehenden Präsidentenwahlen unter akzeptablen Sicherheitsbedingungen stattfinden können, so der norwegische Außenminister in Anspielung auf die augenblickliche internationale Debatte um eine Aufstockung der militärischen Präsenz der ISAF in Afghanistan. Es sei zu begrüßen, dass die Sicherheitslage zusätzlich durch die Tatsache verbessert werde, dass z.Z. jeden Monat rund 2.000 zusätzliche afghanische Soldaten rekrutiert werden.
Doch dies alleine reiche ohne eine massive Verstärkung der afghanischen Polizei nicht aus. Neben der Bekämpfung der Korruption, die auch auf fehlendes menschliches Potenzial zurückzuführen sei, sei es vor allen Dingen jedoch wichtig, die nationale Versöhnung anzugehen. Dies beschränke sich nicht auf einen eventuellen Dialog mit den Taliban. Es gelte vielmehr, eine größtmögliche Zahl der verschiedenen Ethnien im Rahmen der aktuellen Verfassung zusammenzubringen.
Einen solchen Prozess müsse man unbedingt fördern. Zudem, so Jean Asselborn, sei es auch wichtig, die umliegenden Länder in die Entwicklung einzubeziehen. Dies gelte nicht nur für Pakistan, sondern beispielsweise auch für den Iran, für die zentralasiatischen Nachbarländer und für China.

Für eineZwei-Staaten-Lösung

Der norwegische Außenminister und sein luxemburgischer Kollege sind auch mit Blick auf den Nahen Osten der gleichen Meinung. Er bleibe dabei, so Store, dass es zu einer Zwei-Staaten-Lösung in Israel kommen müsse. Hiervon abzurücken hieße, eine permanente Besetzung der palästinensischen Gebiete zu akzeptieren. Natürlich gebe es keinen Anlass zu allzu viel Optimismus. Israel jedoch müsse die bisherige Road Map auch weiterhin anerkennen. Zuvor jedoch müsse man die inner-palästinensische Versöhnung angehen, die Bildung einer neuen Regierung in Israel abwarten. Store machte sich im Anschluss an das Treffen mit Jean Asselborn übrigens auf den Weg in Richtung Nahost.
Nach Besuchen in Israel und in Palästina wird er am kommenden Wochenende im ägyptischen Scharm El-Scheich gemeinsam mit dem ägyptischen Präsidenten den Vorsitz der internationalen Geberkonferenz für den von Israel komplett zerstörten Gazastreifen führen.

 EWR-Mitglied Norwegen

Norwegen ist Mitglied des 1994 gegründeten Europäischen Wirtschaftsraums EWR, der den freien Handel zwischen den Mitgliederstaaten der Europäischen Union und den verbleibenden EFTA-Ländern regelt. 1960 gegründet, gehörten der European Free Trade Association (EFTA) mehrere Länder an, die jedoch nach und nach Mitglieder der Europäischen Union wurden. Zurzeit verbleiben in der EFTA Norwegen, Liechtenstein und Island sowie die Schweiz, die jedoch dem EWR nicht beigetreten ist. Für Norwegen von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang Island. Denn wie Norwegen ist Island eine Nation mit einer traditionellen Fischfang-Industrie.
In Norwegen gibt es heute noch rund 12.500 Arbeitsplätze in der Fischerei. Nach dem Krieg waren es deren 72.000. Die rund 600 heute verbleibenden Betriebe haben vor vier Jahren noch rund 2,5 Millionen Tonnen Fisch und Meerestiere gefangen, 2,7 Prozent der Fänge weltweit. Der Fischfang ist Norwegens zweitgrößter Wirtschaftssektor.
Bislang haben beide Länder, Island und Norwegen, jedes Jahr mit der EU über die Fangquoten verhandelt.
Norwegen gehört auch zu den Ländern, die Walfang betreiben. Wohl hatte man diesen im Jahre 1991 schon einmal eingestellt, zwei Jahre später jedoch wieder in
geringem Maße wieder aufgenommen. Dies führt natürlich zu zahlreichen Kontroversen, auch wenn die Fangmenge relativ gering ist.
Nun jedoch ist Island in enormen finanziellen Schwierigkeiten und sucht den
Anschluss an die EU. Sollte dieser erfolgen, stellt sich für Norwegen eine vollkommen neue Situation. Denn dann würde Island, mit dem man traditionell gute Beziehungen unterhält, auf der anderen Seite des Verhandlungstisches sitzen, statt weiter ein Verbündeter zu sein. Ohne Island, so die Befürchtung, werde die EFTA offiziell nur mehr aus Norwegen und Liechtenstein bestehen und somit kaum überlebensfähig sein.
Eine eigene Mitgliedschaft in der EU jedoch ist für die Norweger sehr schwierig. Bereits zweimal haben die Bürger per Referendum gegen eine Mitgliedschaft gestimmt. Im Jahre 1972, als es um die
damalige Europäische Gemeinschaft ging, und im
Jahre 1994, wenn auch nur knapp mit 52 Prozent. Hauptgrund ist die Angst um die Unabhängigkeit in Sachen Fischfang und Fischquoten.
Dennoch ist Norwegen so gut wie vollständig in die EU integriert und spricht auf
allen anderen Ebenen mit. Zudem ist das Land der neuntgrößte Nettozahler
innerhalb der EU. SeK.