AU feiert Jubiläum vor leeren Stühlen

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Eine Riesenfeier sollte es werden: Seit Monaten hatte sich die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba herausgeputzt, um die Ehrengäste zum AU-Jubiläum zu empfangen. Aber die Veranstaltung wurde zum Albtraum. Die Gäste sprachen vor leeren Rängen.

So etwas hatten François Hollande und José Manuel Barroso wohl noch nicht erlebt: Als sie am Samstagabend endlich in der gigantischen Millennium Hall von Addis Abeba ihre Reden zum 50-jährigen Bestehen der Afrikanischen Union halten durften, war fast niemand mehr da. Tapfer gingen die internationalen Spitzenpolitiker einer nach dem anderen dennoch auf die Bühne und taten ihre Pflicht, darunter neben dem französischen Präsidenten und dem EU-Kommissionschef auch Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff und Jamaikas Ministerpräsidentin Portia Simpson Miller. Vor ihnen Tausende leere Stühle – gerade einmal zwei Dutzend Zuhörer hatten noch ausgeharrt, die meisten von ihnen Journalisten.

Wohlstand und Frieden, das sind die Ziele für den afrikanischen Kontinent. (AFP)

Das Misslingen des seit langem geplanten und groß angekündigten Events ist symptomatisch für die Situation des Kontinents: Während die Staats- und Regierungschefs ihre angeblichen Erfolge feiern und von einem boomenden Kontinent schwärmen, bleiben die Menschen in ihrer Misere zurück. Kein Wunder, dass viele von ihnen gar nicht hören wollten, was ihre Machthaber zu sagen hatten.

Schlechte Organisation

Hinzu kam eine völlige Fehlorganisation: Tickets wurden erst in letzter Minute verteilt und waren für normale Bürger nur schwer zu bekommen. Immerhin, als der äthiopische Ministerpräsident Hailemariam Desalegn und AU-Kommissionschefin Nkosazana Dlamini-Zuma ihre Begrüßungsworte sprachen, waren noch einige hundert Stühle besetzt. Dann jedoch folgte Rede auf Rede – statt den trockenen Wortschwall mit Musik und Poesie aufzulockern. Der ugandische Präsident Yoweri Museveni etwa schwafelte 45 Minuten ungestört über seine völlig verzerrte Vision der kolonialen Vergangenheit Afrikas. Da wurde es auch den Letzten zu bunt, und sie verließen die Halle.

„Es gab einfach zu viele Reden. Die Leute wollten das nicht mehr hören“, sagte ein französischer Beobachter, der sichtlich mit Präsident Hollande litt, als dieser Stunden später endlich am viel zu hohen Rednerpult stand. „Ich war überzeugt, sie würden seinen Auftritt absagen. Vor so wenig Leuten hat er sicher noch nie gesprochen.“ Dabei hatte Hollande bedeutende Aussagen im Gepäck: Ein Gipfeltreffen zum Thema Frieden und Sicherheit in Afrika kündigte er an. Dazu lud er für den 6. und 7. Dezember nach Paris. US-Außenminister John Kerry war der einzige, dem die Situation offenbar zu grotesk war. Seine mit Spannung erwartete Rede entfiel.

Erst zu später Stunde gab es Musik. Die wenigen Anwesenden konnten den Schmerz eines Sängers vom Kaliber Salif Keitas geradezu körperlich spüren. Der als Albino geborene malische Künstler ist einer der wichtigsten Vertreter des Pan-Afrikanismus, von dem die AU und ihre Spitzenpolitiker so gerne träumen. Dass er trotzdem vor 20 Fans mehrere Lieder sang, zeugt von seiner Größe.

Hoffnungsvoller Beginn

Dabei hatte am Morgen alles so gut begonnen. Bei der offiziellen Eröffnungsveranstaltung im AU-Hauptquartier waren die Ränge gefüllt. Zudem gingen die afrikanischen Staats- und Regierungschefs äußerst kritisch mit sich selbst ins Gericht. „Der Teufelskreis der Armut ist noch immer nicht durchbrochen“, warnte etwa Äthiopiens Hailemariam Desalgn. Ohne Schönrederei wurden auch die vielerorts desaströse Infrastruktur, ungenügende Bildung, schlechte Krankenversorgung, Dürrekrisen und blutige Konflikte erwähnt – nichts wurde unter den Teppich gekehrt. Dass sich die Politiker der Probleme bewusst sind, heißt aber noch lange nicht, dass sie Lösungen parat haben.

Die Frage, die seit Monaten im gigantischen AU-Bau gestellt wird, ist vor allem die: Wie soll Afrika 2063 dastehen? Was sind die wichtigsten Ziele für die kommenden 50 Jahre, und wie können sie erreicht werden? „Frieden, Einheit und wirtschaftlicher Aufschwung“, brachte es die malawische Präsidentin Joyce Banda auf den Punkt. „Aber wir müssen hart arbeiten, um dies zu erreichen, es gibt noch viel zu tun.“ Da hat sie recht. Am Sonntagmorgen erwachten Tausende Menschen in Addis Abeba wieder einmal ohne Strom. Aber daran sind sie – wie viele andere Afrikaner – schon lange gewöhnt. Ihr Desinteresse am pompösen goldenen Jubiläum ist angesichts ihrer unglamourösen Alltagsprobleme sehr gut zu verstehen.

Zurück zum Tagesgeschäft

Kurz nach den Feiern zum 50-jährigen Bestehen der Afrikanischen Union (AU) konzentriert sich die Staatengemeinschaft wieder auf ihre politische Agenda: Am Sonntag kamen die Staats- und Regierungschefs zu ihrem 21. Gipfeltreffen in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba zusammen, um über aktuelle Krisen und die Zukunft des Kontinents zu beraten. Die Islamisten in Mali, der Konflikt im Sudan und die Rebellen im Kongo sind die wohl größten Probleme.

Am Morgen trafen sich zunächst Vertreter aus der Region der Großen Afrikanischen Seen mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, um über die Umsetzung eines Rahmenabkommens zur Beendigung des Konflikts im Osten des Kongo zu reden. In der Vereinbarung hatten unter anderem Ruanda, Uganda, Tansania, Südafrika sowie die Demokratische Republik Kongo selbst erklärt, sich künftig nicht mehr in die Konflikte der Nachbarländer einzumischen und keine Rebellengruppen zu unterstützen.

Der zweitägige Gipfel findet hinter verschlossenen Türen statt. Weitere Themen sind Beobachtern zufolge die Zeit nach dem Fristende der Millenniums-Entwicklungsziele im Jahr 2015 sowie die sogenannte «Agenda 2063», die die nächsten 50 Jahre AU umreißen wird. Die Vorschläge sollen beim nächsten AU-Gipfel im Januar 2014 verabschiedet werden.

Kritik an „Den Haag“

Auch ein Vorstoß Kenias gegen den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag steht zur Diskussion. Das ostafrikanische Land fordert, die geplanten Prozesse gegen Präsident Uhuru Kenyatta und seinen Vize William Ruto zurück an die Justiz in Nairobi zu verweisen. Beiden wird vorgeworfen, für die schwere Gewalt nach den Wahlen 2007 mit 1200 Toten mitverantwortlich gewesen zu sein.

Auf dem Kontinent gibt es schon lange Kritik am IStGH: Es heißt, das Tribunal sei einseitig orientiert, weil es bisher nur afrikanische Fälle behandelt.