Anis Amri: bewaffnet und gefährlich

Anis Amri: bewaffnet und gefährlich
(Polizei via AP)

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Nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt fahnden die Ermittler nach einem abgelehnten Asylbewerber aus Tunesien, der von den Behörden als Gefährder eingestuft wird. Die Bundesanwaltschaft hat eine Belohnung von 100.000 Euro für seine Ergreifung ausgesetzt.

Seine Geldbörse mit Ausweispapieren wurde im Führerhaus des bei dem Anschlag verwendeten Lkw gefunden, wie am Mittwoch nach einer Sitzung des Bundestagsinnenausschusses bekannt wurde. Gegen den Mann wurde bereits wegen eines früheren Falls von Terrorverdacht ermittelt.

Tunesische Polizei befragt Familie des Verdächtigen

Tunesische Anti-Terror-Ermittler haben die Familie des im Zusammenhang mit dem Berliner Anschlag gesuchten Anis Amri befragt. Die Befragung der Eltern sei von Beamten einer Anti-Terror-Einheit vorgenommen worden, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch aus Sicherheitskreisen in Tunesien.

Diesen Angaben zufolge war Amri in Tunesien mehrfach wegen Drogendelikten festgenommen worden. Er sei 2011 von Tunesien nach Italien gelangt, wo er drei Jahre verbracht habe. Danach sei Amri nach Deutschland weitergereist. (AFP)

Der Mann sei seit Mitternacht in Deutschland und im europäischen Schengen-Raum zur Fahndung ausgeschrieben, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Es müsse sich aber nicht zwingend um den Täter handeln. Die Sicherheitsbehörden tauschten dem nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger (SPD) zufolge jedoch bereits in der Vergangenheit Informationen über den Mann über das gemeinsame Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern aus, zuletzt im November.

Das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt habe „beim Generalbundesanwalt ein Verfahren wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat“ initiiert, sagte Jäger. Die Ermittlungen seien in Berlin vom dortigen Generalstaatsanwalt geführt worden. In diesem Verfahren seien alle den nordrhein-westfälischen Behörden verfügbaren Informationen über den Tunesier weitergegeben worden.

Seit Juli 2015 in Deutschland

Der Gesuchte sollte eigentlich bereits als abgelehnter Asylbewerber aus Deutschland abgeschoben werden. Im Sommer 2016 wurde der Asylantrag des Tunesiers abgelehnt. Er habe Jäger zufolge aber nicht abgeschoben werden können, „weil er keine gültigen Ausweispapiere hatte“ und Tunesien zunächst bestritten habe, dass er Bürger des Landes sei. Die Abschiebung sei daher wegen fehlender Passersatzdokumente aus Tunesien gescheitert. „Die tunesischen Behörden haben diese heute überstellt“, fügte Jäger hinzu.

Demnach kam der Gesuchte im Juli 2015 nach Deutschland und hielt sich dann in Baden-Württemberg, Berlin, Nordrhein-Westfalen und schließlich ab Februar 2016 wieder hauptsächlich in Berlin auf. Die Duldungsbescheinigung des Tunesiers war Berichten zufolge auf den Namen Anis A. ausgestellt, allerdings trat der Mann nach Jägers Angaben offenbar unter verschiedenen Namen auf. Auf dem nun veröffentlichten Fahndungsaufruf sind sieben verschiedene Identitäten angegeben.

Fahndungsaufruf: sieben verschiedene Identitäten

Der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka sprach von einer „heißen Spur“ der Ermittler. Der Linken-Politiker Frank Tempel verwies aber darauf, dass es sich auch um eine gelegte Spur handeln könnte, um die Ermittler auf eine falsche Fährte zu führen. Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz sprach von einer „sehr spannenden und schlüssigen Spur“.

Nach einem Bericht des Magazins „Focus“ gehörte Anis A. dem Terrornetzwerkes des inzwischen inhaftierten Hildesheimer Hassprediger Abu Walaa an, das auch Überfälle auf Polizeistationen geplant habe. Nach Berichten eines verdeckten Ermittlers, den das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt (LKA) in die Terror-Zelle eingeschleust hatte, sprachen Getreue des Predigers davon, einen Lkw voll mit Sprengstoff in eine Menschenmenge zu steuern. Auf dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche nahe dem Kurfürstendamm waren am Montag zwölf Menschen getötet worden, darunter auch ein polnischer Lastwagenfahrer, der in dem Lkw aufgefunden worden war. Weitere 45 Menschen wurden verletzt, viele von ihnen schwer.

Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat reklamierte die Tat für sich. Ein nach dem Anschlag festgenommener Pakistaner wurde am Dienstag wieder freigelassen, weil kein dringender Tatverdacht gegen ihn bestand.