Angst, Wut und Verzweiflung auf Zypern

Angst, Wut und Verzweiflung auf Zypern
(dpa)

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Auf die Menschen in Zypern kommen schwierige Zeiten zu. Selbst wenn noch das Sparpaket in letzter Minute geschnürt wird, ist die Zukunft alles andere als rosig.

Auf Zypern geht die Angst um. Selbst 25 Grad und strahlender Sonnenschein können bei den Menschen am Sonntag die Gänsehaut nicht vertreiben, denn angesichts der Krisengespräche der Staatsführung in Brüssel über eine eventuelle Lösung für die Finanzkrise ist die Stimmung auf den absoluten Nullpunkt gesunken. Denn die Menschen befürchten, dass ihnen selbst mit einer Lösung in letzter Minute immer noch Armut, Hunger und Arbeitslosigkeit drohen.

Im Zentrum von Nikosia flanierten am Sonntag Tausende von Menschen – im Bewusstsein, dass dies der letzte unbekümmerte Sonntag auf lange Zeit sein dürfte. „Wir können jetzt nichts mehr machen, was kommt, das kommt, und wir müssen damit leben“, philosophiert der Inhaber des bekannten Cafés „Sta kalá Kathoúmena“ (dt: Aus heiterem Himmel). Spätestens seit den Ereignissen in Griechenland nach dem Spardiktat der internationalen Geldgeber wissen die Zyprer, wie schnell sich die bislang heile Welt ändern kann.

Dramatische Szenen

Die Vorboten der schlechten Zeiten sind allerorts erkennbar. „Können Sie bitte, bitte, bitte bar bezahlen. Wir haben seit Tagen keinen Kunden mehr gehabt, und ich muss endlich etwas im Supermarkt einkaufen“, bittet Irini, Inhaberin eines kleinen Sportartikelgeschäfts an der Haupteinkaufsstraße Makarios III Avenue im Zentrum Nikosias am Samstag. Die Banken sind schon seit einer Woche geschlossen. Nur die Geldautomaten spucken Bargeld aus. Und der Höchstbetrag wird immer geringer. Viele Menschen haben mittlerweile keinen Cent mehr auf ihrem Girokonto.

In der Hafenstadt Larnaka meldeten sich bereits Menschen, die eigentlich Geld haben, bei den sogenannten Sozialsupermärkten der Kirche und der Stadt, in denen mittellose Bürger mit dem absolut Notwendigen versorgt werden, und baten um Hilfe. „Ich habe drei Kinder und habe kein Geld mehr auf dem Girokonto, um Milch zu kaufen. Ich unterschreibe gerne ein Papier und zahle das Geld, sobald die Banken wieder aufmachen“, sagte eine Frau im Fernsehen.

Wut gegen Spar-Diktat

Etwas besser scheint die Situation in der Touristenstadt Paphos. „Wir haben hier viele Touristen, die für die Osterferien gekommen sind und die haben Geld und kaufen Andenken“, sagte Andreas Stylianou, dessen Frau einen kleinen Laden im alten Hafen der Stadt betreibt.

Andere Bürger machen sich selbst Mut. Das Rote Tuch für sie ist die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Wir haben die Perser, die Araber, die Kreuzritter, die Osmanen, die Briten überlebt. Wir werden auch die Spar-Hysterie der Merkel überleben“, sagt ein aufgebrachter Los-Verkäufer in der zentralen Ledras-Einkaufsstraße im Zentrum Nikosias.

Studenten gehen ins Ausland

An der Universität in Nikosia bereiten sich Studenten auf neue Zeiten vor. „Ich habe schon eine Zusage der Universität von Abu Dhabi, ich bin nächste Woche hier weg“, sagt der IT-Student Dimitri. „Ich gehe ins Ausland, egal, wie es hier weitergeht.“ Viele Kommilitonen sehen das ähnlich – auch sie haben schon gehäuft Anträge auf Studienaufenthalte im Ausland gestellt, meist in Großbritannien.

Auch die Menschen im türkisch-zyprischen Norden zeigen Mitleid mit ihren griechisch-zyprischen Mitbürgern. „Wir haben das vor Jahren hinter uns gebracht und leiden immer noch unter dem Handelsembargo, das die Welt damals gegen uns verhängt hat, weil unser Staat nicht anerkannt wird. Hoffentlich merken jetzt auch die griechischen Zyprer, was das bedeutet“, sagt Hasan Sarioglu, der tagsüber im Süden arbeitet.

„Alles wird gut“

Die miese Stimmung spiegelt sich in der Presse der Insel. Die Blätter machen die Politiker des Landes verantwortlich für den mit den Sparmaßnahmen erwarteten Einkommenseinbußen der Bürger. Die Schuld liege nicht bei den starken Entscheidungszentren in Europa, die das Land als Finanzdienstleistungszentrum vernichten wollten, hieß es. Vielmehr liege die Schuld bei den einheimischen Politikern und Journalisten, die den Eindruck erweckten, die Insel könne so weitermachen wie bislang – mit Geldern der Oligarchen, meinte das liberale Blatt „Politis“.

Die größte Zeitung Zyperns, der „Fileleftheros“, verpasste dem Land in Brüssel einen „Haircut“. Darunter war ein großes Foto mit drei weinenden und verzweifelten Angestellten der Popular Bank, die um ihren Job zittern müssen.

Gleichzeitig riet das Blatt den Bürgern: „So wie damals (1974), als die türkische Invasion kam und die Insel geteilt wurde, brauchen die Kinder eine Umarmung. Und man soll ihnen sagen: ‚Alles wird gut gehen‘ … auch wenn dies eine Lüge ist.“