Angehörige wollen Gewissheit

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Ob gute oder schlechte Neuigkeiten - viele Angehörige der vermissten Passagiere wollen vor allem Gewissheit. Psychiaterin Li Xianyun ist besorgt. Ein schlimmer Verlust sei Hauptursache für Suizide.

Die Tür ist zu. Ein Sicherheitsmann steht daneben. Die Angehörigen der Passagiere der verschollenen Boeing wollen ihre Ruhe haben. Einige haben sich in den Konferenzraum in einem Pekinger Hotel zurückgezogen. Der Fluss an vermeintlichen Hinweisen auf das seit mehr als zwei Wochen verschollene Flugzeug raubt ihnen die Nerven. Manche hoffen noch auf Rettung für ihre Lieben, aber viele wollen einfach nur Gewissheit, was am 8. März mit dem vermissten Flug MH370 und den 239 Menschen an Bord passiert ist – egal ob es gute oder schlechte Nachrichten sind.

Das betonen sie gegenüber den Helfern, die sich um sie kümmern. „Die Angehörigen haben eine Antwort verdient“, sagt Psychiaterin Li Xianyun der Nachrichtenagentur dpa. Tagelang war die Ärztin vom Pekinger Huilongguan Krankenhaus in dem Hotel im Dauereinsatz, in dem viele der Verwandten und Freunde der Passagiere ausharren.

Prävention von Suiziden

Die Medizinerin ist auf die Prävention von Suiziden spezialisiert. Und sie macht sich große Sorgen, wie manche Familien reagieren, falls bewiesen werden sollte, dass die Maschine im Indischen Ozean südlich von Australien abgestürzt ist. „Eine Depression, die von einem großen Verlust ausgelöst wird, ist die Hauptursache für Suizide“, sagt die Fachärztin.

Eine schreckliche Nachricht könne ganz unterschiedliche Emotionen auslösen. „Manche werden sehr traurig und weinen. Andere werden wütend auf die Inkompetenz der Behörden“, prognostiziert Psychiaterin Li. In den vergangenen Tagen hatten Angehörige immer wieder schwere Vorwürfe gegen die Behörden erhoben.

„Informationen zurückhalten“

Einige Freunde und Verwandte hatten vermutet, dass die Behörden Informationen zurückhalten und daher rund eine Woche in der falschen Region nach dem Flugzeug gesucht worden war. Denn erst nach Tagen hatten malaysische Ermittler von Hinweisen gesprochen, dass die Boeing nach dem letzten Kontakt mit dem zivilen Radar noch mindestens sieben Stunden in der Luft war. Erst danach war die Suche auch auf den südlichen Indischen Ozean ausgeweitet worden.

Die Medizinerin ist überzeugt, dass sich Familien auch selbst Vorwürfe machen könnten. „Manche könnten sich schuldig fühlen.“ Sie suchten dann bei sich selbst nach Gründen für das Schicksal ihrer Lieben. Sie fühlten sich für den Tod mitverantwortlich.

Aufmerksamkeit und Unterstützung

Die Angehörigen brauchten viel Aufmerksamkeit und Unterstützung. „Ihre Freunde und Verwandten sollten in engem Kontakt zu ihnen bleiben“, fordert die Fachärztin. Bei ersten Anzeichen von Suizidgedanken sollten sie sofort Experten kontaktieren.

„Nach zwei Wochen Warten und Leid haben viele Stück für Stück ihre Hoffnung verloren“, sagt Psychiaterin Li. Das gelte aber nicht für alle. „Einige von ihnen geben nicht auf und hoffen auf das Beste.“ Gerade sie brauchen besondere Aufmerksamkeit, falls die schreckliche Befürchtung zur Gewissheit werden sollte.