Alles andere als eine triviale Entscheidung

Alles andere als eine triviale Entscheidung
(AFP/Tobias Schwarz)

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Die Kanzlerin hat lange überlegt, sagt sie - jetzt tritt Angela Merkel wieder an. Ihre Botschaft: In Krisenzeiten komme es auf Zusammenhalt an.

CDU-Chefin Angela Merkel hat gut zehn Monate vor der nächsten Bundestagswahl ihre vierte Kanzlerkandidatur angekündigt. Die Menschen hätten in diesen Zeiten wenig Verständnis, „wenn ich jetzt nicht noch einmal meine ganze Erfahrung und das, was mir an Gaben und Talenten gegeben ist, in die Waagschale werfen würde, um meinen Dienst für Deutschland zu tun“, sagte Merkel am Sonntagabend in Berlin. Die 62-Jährige kündigte an, für die volle Legislaturperiode anzutreten – „wenn die Gesundheit es zulässt“.

Über die Entscheidung für eine erneute Kandidatur als CDU-Chefin und für das Kanzleramt habe sie „unendlich viel“ nachgedacht. „Die Entscheidung für eine vierte Kandidatur ist nach elf Amtsjahren alles andere als trivial. Weder für das Land, noch für die Partei, noch – und ich sag’s ganz bewusst in dieser Reihenfolge – für mich persönlich.“

Schwierige Wahl

Zuvor hatte sich Merkel bei einer Sitzung von CDU-Präsidium und Vorstand erklärt. Die Parteispitze beriet über einen auf Merkel zugeschnittenen Leitantrag für den Bundesparteitag im Dezember in Essen. Darin geht es um Stabilität in unsicheren Zeiten.

Merkel erwartet im kommenden Bundestagswahlkampf Anfechtungen von allen Seiten. „Diese Wahl wird wie keine zuvor – jedenfalls seit der deutschen Wiedervereinigung nicht – schwierig.“ Sie erwarte nicht nur Herausforderungen von Rechts und von Links und eine starke Polarisierung der Gesellschaft. Auch europäisch und international drohten Anfechtungen „für unsere Werte“ und „unsere Art zu leben“.

Trotz unüberbrückbarer Differenzen – wie bei der Forderung nach einer Obergrenze für die Flüchtlingsaufnahme – stellte sich auch CSU-Chef Horst Seehofer hinter Merkel. „Es ist gut, dass jetzt Klarheit herrscht und dass sie sich entschieden hat“, sagte er in München. Nun werde man klären, mit welchen Themen man gemeinsamen in den Wahlkampf gehe – und wo es bei Differenzen bleibe. Aber an der „gemeinsamen Kanzlerkandidatin“ könne man ja jetzt nicht ersthaft zweifeln.

Gabriel unter Druck

Mit Merkels Entscheidung rund zehn Monate vor der Bundestagswahl könnte Gabriel unter Druck geraten, nun die Kanzlerkandidatur in seiner Partei zu klären. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte der dpa in Berlin: „Die Bundestagswahl ist offen, Angela Merkel ist nicht mehr unschlagbar.“

SPD-Chef Gabriel hatte am Samstag bei einem Landesparteitag in Erfurt gesagt: „Wir freuen uns auf eine demokratische Auseinandersetzung.“ Auf die Frage, ob die SPD nun im Zugzwang sei, sagte er: „Das heißt nichts für die SPD.“ Gabriel hat bisher offen gelassen, ob er als Kanzlerkandidat antritt. Auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) werden Ambitionen nachgesagt.

EU-Kommissar Günther Oettinger sagte, „fast alle“ Europäer wünschten sich, dass Merkel noch lange Verantwortung im Europäischen Rat trage.

Letzte Verteidigerin westlicher Werte

Merkel ist seit April 2000 CDU-Vorsitzende und seit November 2005 Kanzlerin. Sollte sie 2017 zum vierten Mal gewinnen, hat sie die Chance, CDU-Mitbegründer Konrad Adenauer und auch Rekordhalter Helmut Kohl einzuholen. Adenauer war 14 Jahre, Kohl 16 Jahre Bundeskanzler.

Trotz der Flüchtlingskrise und der daraufhin einbrechenden Beliebtheitswerte gilt Merkel international nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA als letzte Verteidigerin westlicher Werte.

Nach einer Emnid-Umfrage für die „Bild am Sonntag“ wünschen sich 55 Prozent der Bürger eine weitere Amtszeit Merkels, 39 Prozent nicht. Selbst 54 Prozent der traditionellen SPD-Wähler wollten Merkel.