/ Agrarpolitik im Glashaus

(dpa/Karl-Josef Hildenbrand)
80 Minuten Frontalunterricht der Abgeordneten Martine Hansen, Ex-Direktorin des „Lycée technique agricole“ und Hochschulministerin, erwarteten die Abgeordneten gestern Nachmittag. Die Stimmung bei den Bauern sei schlecht, die Unzufriedenheit groß, so die Interpellantin. Es bestehe ein enormer wirtschaftlicher und sozialer Druck. Darauf müsse die Politik reagieren.
Eckwerte
– Landwirtschaftliche Nutzfläche: 130.000 ha
– Durchschnittliche Betriebsgröße: 62 ha
– 2.100 landwirtschaftliche Betriebe, davon 1.400 hauptberuflich
– 119 Bio-Betriebe, rund drei Prozent der Produktion
– Anteil am nationalen Bruttoinlandsprodukt: 0,3 Prozent
Die Regierung solle klar sagen, ob sie den Bauern noch als Lebensmittelproduzenten oder nur noch als Landschaftsgärtner sehe.
Schluss mit dem nostalgischen Blick
Für die CSV jedenfalls sei klar, dass an erster Stele die Lebensmittelproduktion stehen müsse. Und zwar sowohl Bio als auch konventionell-integrierter Landbau. Nicht jeder wolle und könne sich Bio leisten. Auch die regionale Produktion liefere hohe Qualität, man müsse diese fördern und zu mehr Eigenversorgung kommen. Ein enormes Potenzial bestehe neben Schweinefleisch und Geflügel auch bei Freiland-Gemüse.
Scharfe Kritik gab es von Martine Hansen an der Politik des Umweltministeriums, das mit seiner Kommunikation das Negativ-Image vom Bauern als Umweltverschmutzer fördere. Der scharfe Ton von Martine Hansen kam bei Gusty Graas (DP) gar nicht gut an. Sein Parteifreund Charel Goerens habe schon 1990 auf die alarmierende Situation in der Landwirtschaft hingewiesen. „Manche Leute sollten etwas vorsichtiger mit ihren Kritiken an einer Regierungskoalition sein, die gerade mal 18 Monate im Amt ist.“ Die Landwirtschaft habe eine Zukunft, man solle aber aufhören mit dem nostalgischen Blick in den Rückspiegel. „Der Bauer ist heute ein Unternehmer, ein Kleinindustrieller“. Das neue Agrargesetz (das Minister Fernand Etgen noch vor der Sommerpause deponieren will) biete die einmalige Chance, mit der Ausweisung von landwirtschaftlichen Zonen, die auch in den sektoriellen Leitplänen berücksichtigt würden, ein deutliches Zeichen zu setzen, dass die Politik an die Landwirtschaft glaubt, so Graas.
Zentrum für Wissenstransfer
Er werde „versuchen, nicht zu polemisch zu sein“, reagierte Henri Kox („déi gréng“) auf den Vortrag von Martine Hansen. Natürlich habe die Landwirtschaft eine Teilschuld an der Verschlechterung der Wasserqualität und am Rückgang der Artenvielfalt, es sei aber mal wieder „typisch, dass auf den Überbringer der schlechten Botschaft geschossen wird“. Unter den Folgen der Umweltschäden leide letztlich die Landwirtschaft selbst. „Dass jetzt endlich eine klare Linie gefahren wird, ist auch in ihrem ureigenen Interesse.“
Landwirtschaftsminister Fernand Etgen (DP) verriet in seiner Stellungnahme einige Eckpunkte des neuen Agrargesetzes. So werden etwa die Beihilfen für Biobetriebe auf das Niveau der konventionellen Betriebe angehoben. Bio sei aber nur eine Antwort. Daneben soll es eine Reihe von spezifischen Förderungen für Landbau in unterschiedlichen Schutzzonen geben.
Für Beratungsarbeit sind 12 Millionen Euro vorgesehen. 7 Millionen für ein „Ersatzprogramm“, mit dem das Verbot des Herbizids Metazachlor kompensiert wird. Vorgesehen sind auch Weiterbildungsprogramme (Qualifikation des Betriebsführers wichtiger als die Größe des Betriebs, dixit Etgen) und ein nationales Zentrum für Wissenstransfer.
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