2014 war ein katastrophales Jahr

2014 war ein katastrophales Jahr
(AFP)

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"Katastrophal" und "niederschmetternd" - Amnesty International beschreibt 2014 als ein besonders verhängnisvolles Jahr. Luxemburg muss mehr für Flüchtlinge tun, fordert die Organisation.

Versklavte Mädchen und Frauen, Massenhinrichtungen vor Kinderaugen, zu Propagandazwecken gefilmte Enthauptungen: Der Terror in Syrien und im Irak entsetzt die Welt. Für Amnesty International ist er derzeit eine der größten Bedrohungen für die Menschenrechte überhaupt, mit Auswirkungen über die Region hinaus – auch auf die Menschenrechte in Europa und den USA.

Luxemburg
Luxemburg kommt nicht direkt in dem neuen Jahresbericht von Amnesty International (AI) vor. AI begrüßt dennoch, dass das Großherzogtum den Vertrag über Waffenhandel (engl. Arms Trade Treaty, ATT) unterzeichnet hat. Der Direktor von AI Luxembourg, Stan Brabant, meint hierzu: „Chapeau, bien joué!“ Brabant bewertete es ebenfalls als positiv, dass Außenminister Jean Asselborn bei seiner Iran-Reise die Todesstrafe kritisiert habe. Allerdings hätte er auch die Folterpraktiken zur Sprache bringen können, so Brabant. AI Luxembourg erwartet von der Regierung mehr Einsatz in diesem Dossier, da es hier realistische Chancen für eine Verbesserung gebe, ohne sich zu sehr anstrengen zu müssen.

Weniger positiv beurteilt Brabant die Flüchtlingsfrage. Luxemburg nehme nur etwas mehr als 60 Flüchtlinge auf. Dies sei angesichts der insgesamt vier Millionen Flüchtlinge ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch hier könnte die Regierung mehr tun. Auch in Sachen Staatenlose könnte Luxemburg sich verbessern, meinte Brabant. Er nannte in diesem Zusammenhang einen staatenlosen 70-jährigen Russen, der in den Straßen des Großherzogtums schlafen müsse und für den sich die Regierung zu wenig interessiere. Dafür sei es umso bemerkenswerter, dass Luxemburgs Diplomaten sich im UN-Sicherheitsrat für den Internationalen Strafgerichtshof eingesetzt hätten.

Man habe diese Frage während der beiden Jahre als nicht-ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats mit viel Energie auf die Agenda gesetzt. Es handle sich um eine hervorragende Arbeit, so Brabant.
sab.

„Besonders besorgniserregend ist die wachsende Macht nicht-staatlicher Gruppen, darunter die Gruppe, die sich selbst Islamischer Staat (IS) nennt“, heißt es in der Mitteilung zum Jahresbericht der Organisation, die Verstöße gegen Menschenrechte in 160 Ländern untersucht hat. Auch Boko Haram in Nigeria und Al-Shabaab in Somalia gehören zu den Gruppierungen, die quasi-staatliche Strukturen anstreben und nicht an etablierten Landesgrenzen haltmachen. Die Gewalt, die von ihnen ausgeht, habe zugenommen, schreibt Amnesty nüchtern.

Schreckenstaten

Doch nicht nur Terroristen quälten die Bevölkerung mit Anschlägen, Morden und Folter. Praktisch im selben Atemzug nennen die Menschenrechtler die Reaktionen von Regierungen. „Von Baga (im nigerianischen Bundesstaat Borno) bis Bagdad (im Irak) haben Regierungschefs versucht, Menschenrechtsverletzung zu rechtfertigen mit Reden von der Notwendigkeit, die Welt ’sicher‘ zu machen“, kritisiert Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty.

Beispiel Syrien: Die Schreckenstaten des IS hätten für eine Weile abgelenkt von der Gewalt der syrischen Regierungskräfte, heißt es. Diese setzten Fassbomben ein, griffen Krankenhäuser an und blockierten die Versorgung Unbeteiligter mit Nahrung, Wasser und Medikamenten. Den Fassbomben-Vorwurf hat Präsident Baschar al-Assad erst vor rund zwei Wochen in einem BBC-Interview als „kindisch“ zurückgewiesen. Allerdings erheben ihn auch andere Gruppen, etwa Human Rights Watch.

Folter

In Nigeria leidet die Bevölkerung ebenfalls unter staatlicher Gewalt. „Gemeinden, die seit Jahren von Boko Haram terrorisiert werden, sind zunehmend Übergriffen der staatlichen Sicherheitskräfte ausgesetzt, die regelmäßig mit außergerichtlichen Tötungen, willkürlichen Massenfestnahmen und Folter geantwortet haben“, schreibt Amnesty.

Im Irak habe die Regierung angesichts des Terrors schiitische Milizen auf sunnitische Gemeinden „losgelassen“, die angeblich mit dem IS sympathisierten. Alleine von Januar bis Oktober habe der Konflikt im Irak 10.000 Zivilisten das Leben gekostet. Auch unter der neuen Regierung kämen bei Luftangriffen auf IS-Gebiete Zivilisten um.

Gewaltexzesse

Die internationale Gemeinschaft findet keine Antwort auf die Gewaltexzesse, militärisches Eingreifen stoppt die Spirale der Gewalt bislang nicht. „Die globale Antwort auf Konflikte und Misshandlungen durch Staaten und bewaffnete Gruppen war beschämend und wirkungslos“, beklagt Generalsekretär Shetty.

„Trostlos“ sei der Ausblick auf das laufende Jahr, wenn sich daran nichts ändere: Mehr Zivilisten, die unter der quasi-staatlichen Herrschaft brutaler Terrorgruppen leben müssen, mehr Flüchtlinge. Aber auch mehr Überwachung im Westen, wo Regierungen und Geheimdienste den „Krieg gegen den Terror“ als Vorwand nutzten, um die eigene Bevölkerung zu bespitzeln.

Unrealistisch

Aber was sollen sie stattdessen tun? Darauf liefert der Amnesty-Bericht auch keine Antwort. Die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats sollen auf ihr Vetorecht verzichten, so lautet die einzige konkrete Forderung – sie richtet sich gegen Moskau und Peking, die immer wieder Resolutionsentwürfe zum Syrien-Konflikt gestoppt haben. Dass sie ihr Recht auf ein Nein verbindlich aufgeben, scheint unrealistisch.