Zu viel Monat

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Vielleicht haben die Bürger die im vergangenen Jahr von der Regierung beschlossenen Spar- und Steuermaßnahmen unterschätzt.

Trotz oder gerade wegen der Abschwächung im Vergleich zur ursprünglichen Version. Vielleicht fehlte ihnen auch nur die arithmetische Vorstellungskraft ob der möglichen Auswirkungen auf ihre Haushaltskasse.

Tom Wenandy
twenandy@tageblatt.lu

Vielleicht hat die große Mehrheit – aus welchem Grund auch immer – aber auch einfach nur geschwiegen. Unmöglich wäre letztere Möglichkeit angesichts der luxemburgischen Trägheit in Sachen politische Auseinandersetzung nicht. Aber das nur am Rande.

Staatskassen-Sanierung auf Beschäftigtenkosten

Tatsache ist jedenfalls, dass seit den Tripartite-Gesprächen es immer nur die Gewerkschaften waren, die davor gewarnt haben, dass der Plan zur Sanierung der öffentlichen Finanzen hauptsächlich zu Lasten der Beschäftigten gehe und gleichzeitig vor allem Klein- und Mittelverdiener empfindlich belasten werde. Protest aus anderen Reihen kam kaum oder gar nicht.

Seit Beginn des Jahres aber, also mit Inkrafttreten der diversen Neuregelungen, scheinen sich zahlreiche Bürger auf eine schmerzhafte Art und Weise bewusst zu werden, dass die Arbeitnehmervertreter mit ihrer Darstellung der Situation ziemlich richtig lagen.

In Internetforen, in sozialen Netzwerken, aber auch in Leserbriefen melden sich zusehends mehr Bürger zu Wort, denen – salopp ausgedrückt – am Ende des Geldes noch zu viel Monat übrig bleibt. Dabei handelt es sich fast ausnahmslos um Personen mit oder ohne Familie, die einen Job haben und bisher genug verdienten, um „gut“ zu leben. Menschen aus der sogenannten, in Luxemburg bislang besonders breiten Mittelschicht. Neuerdings wird es (auch) für sie aus finanzieller Sicht immer öfter immer enger.

Was unternimmt die Politik?

Verteidiger der Regierungspolitik werden nun argumentieren, dass die Zusatzbelastungen, die durch die Sparmaßnahmen entstehen, im Vergleich zu anderen gering ausfallen. Dies mag losgelöst von jedem Kontext stimmen, es handelt sich nichtsdestotrotz um eine Zusatzbelastung. Diese fällt umso schmerzlicher aus, als sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt alles andere als positiv entwickelt. Zumindest aus Verbrauchersicht.

Nicht selten müssen Haushalte heutzutage zwischen einem Drittel und der Hälfte ihres Einkommens für Miete oder Darlehen aufbringen. Die Laufzeiten für Letztere liegen nur noch selten unter 25 Jahren, in zahlreichen Fällen übersteigen sie gar 30 Jahre. Eine nicht nur aus wirtschaftlicher, sondern auch aus gesellschaftlicher Sicht dramatische, um nicht zu sagen hochexplosive Situation.

Finazielle Lage oft angespannt

Zumal mit den steigenden Erdölpreisen und den unweigerlich bevorstehenden Zinserhöhungen (beides Punkte, auf die Luxemburg keinen direkten Einfluss hat) die finanzielle Lage zahlreicher Haushalte noch angespannter werden wird, als sie es ohnehin schon ist.

Die Frage, die sich einem in diesem Zusammenhang unweigerlich aufdrängt: Was tut der Staat? Wo bleiben die Maßnahmen, das Gegensteuern der Regierung? Die bestehenden Regelungen und Hilfen jedenfalls sind, wie die Praxis zeigt, ineffizient bzw. unzureichend.

Politik steht in der Pflicht

Sicherlich muss der Staat nicht in allen Bereichen regulierend eingreifen (wobei man über diese Frage punktuell noch streiten kann).

Die Politik steht in Bezug auf die beschriebene Problematik aber unweigerlich in der Pflicht, ist es doch ihre Aufgabe, die Schwächsten in der Gesellschaft (vor den Stärksten) zu schützen. Es kann (und darf) nicht sein, dass die Politik dabei zusieht – oder sogar noch das Ihre dazutut –, wie immer mehr (arbeitende) Menschen in die Schuldenfalle abrutschen.

Immer wieder wird den „Brüsseler Technokraten“ vorgeworfen, aus ihrem „Elfenbeinturm“ heraus eine realitätsfremde, will heißen eine von Wirtschaftsinteressen gesteuerte, an den Bürgerinteressen vorbeigehende Politik zu betreiben. Irgendwie kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die hiesige Politik es diesem Beispiel immer öfter nachtut.