„Zensur“? Pressefreiheit!

„Zensur“? Pressefreiheit!
(Alain Rischard/editpress)

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In seinem Leitartikel beschäftigt sich Francis Wagner mit jenen Zeitgenossen, die den Zeitungen Zensur vorwerfen, sobald diese den Abdruck xenophoben Gedankenmülls verweigern.

Wer als Journalist die Reaktionen auf der Webseite oder in der eigenen Zeitung oder auf Facebook über längere Zeit mitverfolgt, dem fällt recht bald auf, dass die meisten dieser „Leser“ überhaupt keine Zeitungsleser sind. Ein regelmäßiger Leser einer politischen Zeitung ist in der Regel nämlich ein Mensch, der die kantische Devise „sapere aude“ („wage es zu wissen“) beherzigt und mithin, frei nach Kant, den „Mut hat, sich des eigenen Verstandes zu bedienen“.

fwagner@tageblatt.lu

Den Nachweis dafür, dass die meisten Forendödel keine Zeitungsleser sind, liefert denn allein schon der Umstand, dass der Brach, den sie produzieren, in der Regel von keiner Sachkenntnis getrübt wird, sowie jener, dass sie mit dem Nazibegriff „Lügenpresse“ um sich schmeißen, ohne den Gebrauch jenes Zellklumpens, mit dem die Natur sie an Hirnes statt gestraft hat, auch nur versuchsweise erwogen zu haben. Und so erklärt sich denn auch der inflationäre Gebrauch des Vorwurfs der „Zensur“ an die Adresse der Redaktionen.

Ein Begriff, den diese Leute den Medien an den Kopf werfen, ohne zuvor überlegt zu haben, was er denn überhaupt bedeuten soll. Der Zensurvorwurf sprießt typischerweise, sobald ein verantwortlicher Redakteur die Veröffentlichung xenophoben Gedankenmülls verweigert.

Also, liebe „Lezeboia“, was heißt denn nun eigentlich Pressefreiheit? Der Kern der Pressefreiheit besteht darin, dass in einem demokratisch verfassten Rechtsstaat niemand einer Zeitung verbieten kann, im Rahmen des geltenden Rechts das zu veröffentlichen, was sie für gut und richtig hält. Umgekehrt darf aber niemand sie dazu zwingen, etwas zu publizieren, was sie für schlecht und falsch hält. Wie z.B. „Lezeboia“ Rammdösigkeiten.

Wer entscheidet dabei, was gut und richtig bzw. was schlecht und falsch ist? Die Redaktion. Und sonst niemand. So wie es uns gefällt. Zensur besteht darin, dass Machthaber einer Zeitung verbieten, eine Information oder Meinung zu veröffentlichen. Wenn aber eine Redaktion die Veröffentlichung einer Meinung oder Information ablehnt, ganz einfach, weil sie ihr nicht passt, dann ist das sonst nichts als angewandte Pressefreiheit. Und wem das nicht passt, dem sei unbenommen, selbst eine Zeitung oder einen Blog nach seiner Fasson zu gründen.

Sehr erstaunlich ist aber allemal, dass mit Herrn Kartheiser sogar ein leibhaftiger Deputierter des luxemburgischen Parlaments mit dem Vorwurf der „Zensur“ an die Adresse unserer Zeitung hantiert, einfach, weil wir unlängst die Veröffentlichung eines typischen „Lezeboia“ Wutausbruchs verweigert haben. Es verhält sich demnach offenbar so, dass durchaus auch ein Absolvent der renommierten Wiener Diplomatenschule über ein Konzept der Pressefreiheit verfügen kann, das eher eines Feldwebels des kakanischen Landsturms würdig gewesen wäre.

Nun gut, Herr Kartheiser weiß natürlich nur zu genau, dass eine Zeitung in Sachen Zensur zwar Opfer, aber nicht Täter sein kann. Und deshalb erfüllt sein Vorwurf ganz einfach den Tatbestand der Demagogie. Jener Demagogie, mit der er auf trüben, aber halt unter „Lezeboia“ populären Facebook-Seiten nach Gefolgschaft fischt.