„Wildwest“- Methoden

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„Wildwest“-Methoden. Was einem als Erstes dazu einfällt: skrupellose und von aller Rechtsstaatlichkeit losgelöste Machenschaften.

Für den EU-Datenschutzbeauftragten Peter Hustinx ist die derzeitige Überwachungskultur, wie sie von den Geheimdienst-Cowboys bei der NSA gelebt wird, nicht akzeptabel. Die juristischen Vergehen und obskuren Methoden des derzeit bekanntesten US-Geheimdienstes sind in der Tat nicht hinnehmbar.

Dhiraj Sabharwal dsabharwal@tageblatt.lu

Allerdings fällt einem bei der vielschichtigen NSA-Spähaffäre auf, dass im Gegensatz zur Debatte über die Überwachung von Bürgern der Vorwurf der wirtschaftlichen Geheimdienstspionage kaum unter die Lupe genommen wird. Welche ökonomischen Daten sammeln die Mitglieder der US-Intelligence-Community eigentlich, und was geschieht damit? Werden sie an Unternehmen weitergeleitet oder nutzt die US-Regierung sie im Sinne der nationalen Wettbewerbsfähigkeit, um sich Vorteile auf nationalen und internationalen Märkten zu verschaffen? Handelt es sich tatsächlich um „Wildwest“-Methoden oder haben wir es angesichts der technologischen Übermacht der NSA eher mit einem sehr vielschichtigen Wirtschaftsspionage-Phänomen zu tun, das wenig an den altmodischen Klau von Bauplänen erinnert, sondern vielmehr an eine für „Policymaker“ interessante, makroökonomisch orientierte Agentenarbeit? Der Volkswirt im James-Bond-Anzug, wenn man so will. Der Analyst, dem „gelegentlich“ ein als geheim eingestuftes Dokument zugespielt wird. Der nicht (nur) Industriespionage zum Ziel hat, sondern vor allem Wirtschaftssysteme auf sämtlichen Ebenen durchleuchtet. Mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln. Allen.

„Anormale ökonomische Aktivitäten“

Am konkretesten wurden obige Fragen angeschnitten, als Vorwürfe laut wurden, die NSA habe das brasilianische Mineralölunternehmen Petrobras, die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds ausspioniert. Seitdem ist die Problematik aber erneut von der Bildfläche verschwunden.

Dabei lassen sich bereits aus offiziellen Erklärungen sehr aufschlussreiche Hinweise für eine makroökonomische Spionagetaktik finden. Ein Beispiel: Der Direktor des amerikanischen Geheimdienst-Dachverbands, James R. Clapper, hat darauf hingewiesen, dass es kein Geheimnis sei, dass die amerikanischen Geheimdienste, wie andere auch, Finanz- und Wirtschaftsinformationen sammeln. Diese würden aber zu keinem Zeitpunkt an US-Unternehmen weitergereicht. Was Clapper jedoch am Ende seiner Mitteilung sagt, spricht Bände: „Die Bemühungen der amerikanischen Geheimdienstgesellschaft, um wirtschaftliche Systeme sowie Gesetze zu verstehen und anormale ökonomische Aktivitäten zu überwachen, sind zentral, um politische Entscheidungsträger mit jenen Informationen zu versorgen, die sie benötigen, um informierte Entscheidungen zu treffen, die im besten Sinne unserer nationalen Sicherheit sind.“ Seien wir an dieser Stelle mal so gutgläubig und gehen davon aus, dass die US-Regierung tatsächlich keine von ihr gesammelten Daten an US-Unternehmen weiterreicht – die meisten Unternehmen sind ohnehin in der Nachkonstruktion beziehungsweise dem legalen Imitieren von Wirtschaftsgütern nicht auf Hilfe angewiesen.

Und dennoch: Clappers Ausführungen deuten darauf hin, dass die US-Geheimdienste – und mit großer Sicherheit auch ihre globalen Spionagegeschwister – Wirtschaftsspionage im ganz großen Stil betreiben, die bei der Ausarbeitung von Gesetzen zur Stärkung der US-Wettbewerbsfähigkeit helfen soll. Mit geheimen Informationen über ausländische Regierungen und ihre Wirtschaftspolitik lassen sich gezielt konkrete Handelsvorteile auf den internationalen Märkten erarbeiten. Die EU sollte dies bei ihren Verhandlungen über eine gemeinsame Freihandelszone mit den USA nicht außer Acht lassen.

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