Werte, halbneue CSV

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Der Anspruch deiner Jungtürken, dich von Grund auf neu zu gestalten, ist legitim. Schließlich wurdest du trotz eines guten Resultates von der Regierungsbildung und damit von Teilen der politischen Macht im Staate Luxemburg ausgeschlossen.

Warum lieben die andern dich nicht, wie es sein könnte, denn es gab lange Zeiten enger Zusammenarbeit mit wechselnden Koalitionären?

Vielleicht hilft, zur besseren Einordnung der „ewigen“ Staatsministerpartei in das politische Gefüge, ein Blick in die Vergangenheit. Als die Rechtspartei, aus der die CSV nach dem Zweiten Weltkrieg hervorging, 1914 gegründet wurde, war sie eine Antwort der kirchlichen und wirtschaftskonservativen Kreise auf die schnellen Einflussgewinne der Arbeiter-Bewegung (Partei und Gewerkschaften) und der liberalen, eher laizistischen Bourgeoisie.

Die damals generell federführende Catholica brauchte eine solche, breit gefächerte, als Volkspartei dargestellte Unternehmung, um die gesellschafts-, kultur- und sozialpolitischen Trends zu brechen. Das ursprüngliche Rezept galt bis heute: Die andern fordern Reformen, aber wir machen sie, wenn sie unausweichlich geworden sind oder wir die Zeit reif dafür halten. Mit dieser Strategie bekommen wir das Image der eigentlichen Modernisierer, und als solche gewinnen wir jede Wahl.

Es ist hier nicht der Platz, all die fortschrittlichen sozialen und gesellschaftspolitischen Gesetze aufzuzählen, die von der CSV vereinnahmt wurden. Im Wort (6. Februar, Seite 5) gab ein Regionalpräsident mit verblüffender Offenheit das Geheimnis preis: „Vor zehn Jahren wären unsere aktuellen Standpunkte zur Homo-Ehe oder zum Religionsunterricht noch undenkbar gewesen.“

Warum sind sie heute denkbar? Weil die CSV-Unternehmung die Macht braucht wie die Kirche die Gelder des Staates und daher um alle Wähler wirbt, gleich wie fremd viele davon ihr im Kern noch sind.

Kann man aus einer politischen Unternehmung im Handumdrehen, per Mehrheitsbeschluss an einem Samstag, eine richtige Partei machen, eine, in der offen und hart um Programme gestritten wird?

Dem langjährigen Beobachter der politischen Szene scheint dies unmöglich. Was passieren darf und kann, sind einige personelle Wechsel, die in die Landschaft passen, sowie Absichtserklärungen zur Bildung von Studiengruppen und themenbezogenen Tagungen.

Was nicht passieren darf und kann, ist die Abkehr vom Leaderprinzip. Die CSV scharte sich unter dem weichen Druck ihres inneren Kreises als einmütige Wahlkampfmaschine um ihre jeweilige Lichtgestalt (z.B. Reuter, Bech, Dupong, Frieden, Werner, Santer, Juncker), der sie blind folgte.

Sollte Juncker tatsächlich EU-Ratspräsident als Nachfolger von Van Rompuy werden (die Kandidatur für den EU-Kommissionsvorsitz stellt er der Form halber als möglicher Spitzenkandidat der EVP für das Parlament), hätte die halbneue CSV ihr wohl größtes Problem gelöst. Ein Überflieger wie J., der spielend seine parteiinternen Widersacher in die Ecke triebe, wenn die Lust dazu ihn packte, muss weg, liest man zwischen den Zeilen im doch der CSV sehr nahestehenden, erzbistumseigenen Wort.

Zu Hause wäre er besser

Ehrlich, wir hätten ihn lieber zu Hause, als Gegenspieler der Dreier-Regierung, die sonst keinen aus dem Hause CSV in Sachfragen zu fürchten braucht.

Juncker Superstar in Brüssel, Luc Frieden in einer feinen Anwaltskanzlei, Wolter der Polterer im Staatsrat, Wiseler der Sanfte im hohen Beamtendienst, Spautz der Ex-Gewerkschafter als Präsident und soziales Aushängeschild: Solche Mutationen würden die Öffentlichkeit einige Tage beschäftigen.

Und dann würde im inneren Kreis der Unternehmung CSV der Aufbau einer neuen Lichtgestalt beginnen, mit dem Ziel, sie spätestens 2018 an alle Hebel im Staat zurückzubringen.

Die drei sollten zumindest versuchen, das zu verhindern, indem sie große Reformen unter Einbeziehung breitester Kreise planen und durchführen.