Wenn Sparen gefährlich wird

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Am Freitag einigte sich die Regierung über die Zahlen, mit denen sie bei der EU-Kommission glänzen möchte. 2014 wird der Luxemburger Staatshaushalt null Komma null Defizit ausweisen, verspricht der neue Finanzminister, Herr Frieden.

Alvin Sold
asold@tageblatt.lu

Sind wir verrückt geworden? Warum nehmen wir uns so was vor? In völliger Unkenntnis der wirtschaftlichen Entwicklung, die kein Ökonomieprofessor, und käme er aus Paris, treffend voraussagen kann? Erlebten wir nicht im Herbst 2008 – das war am Freitag –, wie die Experten, die Consultants, die Rating-er und die ganze Prophetenzunft irrten?
Will der als Juncker-Nachfolger gehandelte Frieden bei Barroso Punkte sammeln? Hat er einen Karriereplan, den die Luxemburger mitbezahlen sollen, via Abbau des Sozialstaats?
So ist es doch: Nie, nimmer, stimmten in Luxemburg Budget und Konten annähernd überein. Nie, nimmer, wurde ein CSV-Finanzminister (seit 1945 gab es allein solche, ausgenommen 1974-1979, als LSAP und DP regierten) wegen der klaffenden Diskrepanz zwischen seinem Etat und den Konten zur Verantwortung gezogen.
Stünde Herr Frieden hier und jetzt gerade für sein Zahlenwerk 2009-2014, zollten wir ihm Respekt.

Aber er tut es nicht.
Für ihn ist das sogenannte programme de stabilité et de croissance 2009-2014 ein mechanisches, vom Computer ausgedrucktes Resultat. Es könnte so kommen. Oder halt anders. Was auch immer passierte: Er, Frieden, bleibt clean, unbefleckt.
Mit dieser Wischiwaschi-Haltung haben wir ein Problem.

In heutiger Zeit gehören, mehr noch als früher, solche Männer und Frauen auf Spitzenposten, die Verantwortung übernehmen. Ein Finanzminister, der 2014 keinen Eurocent Defizit mehr will, obwohl kein EU-Vertrag ihm diese Auflage macht, muss höhere Steuern und/oder weniger Sozialleistungen wollen.
Anders geht das nicht.

Die nirgends, weder im Parlament noch außerhalb des Parlamentes, diskutierten Ziele, die Herr Frieden sich und dem Land stellt, setzen ein Rundum-Spardekret voraus, das bereits gegenwärtig in stupiden Anweisungen Ausdruck findet. Reduziert die Ausgaben um 10 Prozent! Koste es, was es wolle! Der Handwerker, der Geschäftsmann, der Dienstleister, der seine Aufträge beim Staat oder bei der Gemeinde verliert, soll schauen, wie er überlebt. – Und wenn er Personal entlassen müsste, dieser Handwerker, Geschäftsmann oder Dienstleister? Wie ginge des Großen Sparers Rechnung dann auf?
Es ist an der Zeit, gewisse Leute an ein paar Dinge zu erinnern:
1. Eine Tripartite macht nur Sinn, wenn Verhandlungsspielraum besteht.
Wenn die Regierung sich selber, Brüssel gegenüber, in einem Muster-Stabilitätsprogramm allen Verhandlungsspielraum nimmt, begibt sie sich auf den „c’est à prendre ou à laisser“-Trip, der zum Streit führt.
2. Luxemburg ist, wie alle EU-Staaten, mit den Folgekosten der von Schwerverbrechern verursachten weltweiten Finanzkrise konfrontiert. Es kann nicht sein, dass die ganze Last dieser Folgekosten dem Salariat, d.h. den kleinen und mittleren Einkommensgruppen, aufgebürdet wird.
Von führenden Politikern erwarten wir, auch in Luxemburg, genug Fantasie, um die wirklich Reichen steuerlich zu belasten, wie es sich gebührt, und wie diese Reichen es wahrscheinlich akzeptierten.

Eine Frage zum inneren Frieden

3. Die moderne Demokratie wurzelt in der Gewaltentrennung zwischen der Legislative, der Exekutive und der Justiz, aber sie sollte weiter, weitest gefächert sein. Unser, das spezifisch Luxemburger Demokratie-Modell, gibt außerparlamentarischen Kräften wie z.B. den Gewerkschaften und dem Patronat ein De-facto-Mitbestimmmungsrecht in wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen.
Ist man sich in der politischen Chefetage, in der Regierung, noch über diese bewährte Grundlage des inneren Friedens einig?