Weltpolitik in Montreux

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Montreux steht für mehr als sein hochkarätiges Jazz-Festival. Die Schweizer Stadt blickt auf eine lange diplomatische Tradition zurück: Vorbereitungen zu internationalen Verträgen, Gipfeln und Wirtschaftsabkommen wie jenem zwischen den Eidgenossen und Peking sind keine Seltenheit.

Seit kurzem tagen die Teilnehmer von Genf II, der Friedenskonferenz zu Syrien, im „Le Montreux Palace“. Die Anzahl an Spionen rund um die Seeufer des Léman dürfte kaum zu beziffern sein. Das Misstrauen zwischen den Konfliktparteien ist groß. Amerikaner, Russen, Syrer, Saudis, Kataris, Israelis, Iraner, Briten, Franzosen, Deutsche … Die Liste der „Neugierigen“ ist lang.

Dhiraj Sabharwal dsabharwal@tageblatt.lu

In den vergangenen Monaten schulten Schweizer Diplomaten syrische Oppositionsgruppen in Istanbul – und in Montreux. Verhandlungen auf dem diplomatischen Parkett folgen eigenen Regeln. Jedes Wort wird auf die Goldwaage gelegt. Was sich jedoch am Mittwoch in dem Belle-Epoque-FünfsterneHotel zutrug, lässt an der Ausbildungsqualität zweifeln. Auf beiden Seiten standen Anschuldigungen auf der Tagesordnung. Ein Kompromiss zwischen dem syrischen Außenminister Walid al-Muallim und den wichtigsten Vertretern der ohnehin zersplitterten syrischen Opposition scheint unmöglich. Das bei der ersten Genfer Konferenz festgehaltene Ziel, eine Übergangsregierung für Syrien auf die Beine zu stellen, ist momentan realitätsfern. Es kündigen sich demnach eine Reihe von Friedensverhandlungen an, wie man sie von bisherigen Bürgerkriegen kennt (man erinnere sich zum Beispiel an Bosnien). Keine der Konfliktparteien ist bereits am Ende ihrer Kräfte angelangt.

Globalisierung des Syrien-Konflikts

Zyniker interpretieren die Verhandlungen nicht als Suche nach einer Lösung für das Land, sondern als internationale Konferenz zur Terrorbekämpfung. Nachdem sich Dschihadisten mit unterschiedlichen Hintergründen in den syrischen Bürgerkrieg eingemischt haben, wächst die Angst vor den Glaubenskriegern. Der ehemalige US-Botschafter für den Irak, Ryan Crocker, bezeichnet den Machterhalt Assads gar als „die am wenigsten schlimme Option“. In der Tat deutet vieles darauf hin, dass Damaskus nicht auf die Schnelle von einem neuen Machthaber regiert wird. Nachdem US-Präsident Barack Obama Assad zum Rücktritt aufgefordert hatte und dadurch den Stellvertreter-Machtkampf zwischen den Saudis, Kataris und dem Iran befeuerte, haben die Assad-Truppen an Momentum gewonnen. Nach der verhinderten militärischen Intervention in Syrien und dem Abkommen zur Zerstörung der Chemiewaffen ist zudem klar, dass Assad mindestens bis Mitte 2014 im Amt bleiben wird, um den Deal über die Bühne zu bringen. Die Alternativen beängstigen gleichzeitig die Anwesenden in Montreux: Weder die syrische Nationalkoalition noch ihr militärischer Apparat, die Freie Syrische Armee, genießt uneingeschränkten Rückhalt in der syrischen Bevölkerung. Militärisch waren sie nie mit dem Regime und seinen Verbündeten auf Augenhöhe.

Die Globalisierung des Syrien-Konflikts verdeutlicht somit, wie komplex die Verhandlungsvorbereitungen in Montreux und die möglicherweise anschließenden Friedensverhandlungen Genf II sind. Der nationale, regionale und internationale Machtkampf um Syrien lässt wenig Platz für langfristige Lösungen im Sinne der Zivilbevölkerung. Die Menschen leiden in ihrem Zuhause oder auf der Flucht unter einem Bürgerkrieg sowie dem regionalen und diplomatischen Gezerre um ihr Land. Für viele wären lokale Waffenruhen und die Eröffnung humanitärer Korridore bereits ein hilfreicher Anfang. Der wahre Konflikt lässt sich jedoch nur lösen, wenn alle Interessensgruppen an den Friedensverhandlungen teilnehmen.

Ban Ki-moons gescheiterter Versuch, den Iran in die Friedensverhandlungen einzubinden, zeigt, wie wenig die USA, die syrische Opposition, aber auch der Iran und Russland von ihren festgefahrenen Positionen abrücken wollen.