Weil keiner es wissen kann

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Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Am 6. Juli 2009 wurde dem altneuen Premier ein 13 A4-Seiten zählendes Dokument überreicht, in dem die besten Köpfe der Staatsverwaltung ihre makrowirtschaftliche Projektion für die Legislatur 2009-2014 darlegten. Unterzeichnet war das Dokument von den Herren Serge Allegrezza (Statec), Tom Dominique (Sécurité sociale), Jeannot Waringo (Inspection générale des finances), Guy Heintz (Contributions), Alain Bellot (Douanes), Romain Heinen (Enregistrement) und Georges Heinrich (Trésor).

Allesamt gute Lenker großer und/oder wichtiger Verwaltungen, beste Könner in ihrem Fach. Was sagten, oder vielmehr, was schrieben sie vor drei Monaten, als die CSV und die LSAP ihre Koalition aushandelten? Ihr Papier ist aus vielen Gründen eines von der Art, die man aufbewahren sollte, wegen der Form und der Aussagen. Die z.T. in solchen Dingen ungeschulten Politiker wurden mit 20 sehr kompakten Tabellen konfrontiert, die für den genannten Zeitraum (2009-2014) Hochrechnungen (Projektionen) enthielten, zur Entwicklung der Staatsfinanzen generell und zur sozialen Absicherung im Besonderen.

Weil diese Hochrechnungen auf mathematischen Modellen fußen, die nur dann richtige Ergebnisse liefern, wenn die Fakten und die Hypothesen stimmten, sind sie für eine gestaltende Politik unbrauchbar. Das wissen die eingangs genannten Experten selber. Sie hielten darauf, Folgendes klarzustellen, Zitat: Il faut rappeler qu’au-delà d’un horizon de six mois, il est impossible de prévoir avec une précision acceptable l’avenir économique. Merci, Dir Hären!

Dank an euch für eure Offenheit. Ihr sagt den Ministern, ihr wüsstet, dass ihr nicht wisset. Diese Bescheidenheit erinnert einen an Sokrates und Platon: Ich weiß, dass ich nichts weiß.
Können Nichtswissende regieren? Ja, wäre unsere Antwort. Weil regiert werden muss. Nach bestem Können, wenn das Wissen fehlt. Die Luxemburger Regierung, die nicht wissen kann, was morgen und übermorgen auf den Weltmärkten passiert, und die sich lächerlich machte, würde sie positive oder negative Projektionen übernehmen, täte ihre Pflicht am besten, wenn sie in dieser besonderen Lage dem Tagesgeschäft die absolute Priorität gäbe.

O.k., unsere Kleinstaatlerdroge war das Sicherheitsgefühl, das die CSV am besten zu vermitteln verstand. Ist nicht inzwischen klar, dass es im 21. Jahrhundert keine Sicherheit mehr gibt, weder für uns noch für Größere, für die Größten, die USA einbegriffen? Also?

Also muss Luxemburg sich mit den Zuständen auseinandersetzen, so, wie sie jetzt sind. Sehr pragmatisch. Es ist eine Tatsache, dass die CSV-Finanzpolitiker die Kostenseite des Staatshaushaltes wuchern ließen, wegen ihrer Klientel, was zur Folge hat, dass die Reserven schnell aufgebraucht wären, wenn die Ökonomie nicht demnächst wieder boomte; es ist auch eine Tatsache, dass in Europa und in den reichen Teilen der Welt gewaltigste Kapitalien verfügbar wären, wenn die Politik sie zur Solidarität verpflichten würde.
Wann ist ein G20, der zum Ziel die Umverteilung zugunsten der Hungerleider und damit zur Erstellung eines wahren Weltfriedens hätte?

Utopia muss sein

„Foutaises!“ denkt jetzt der Besserverdienende. Mir geht es gut. Ja. Uns Luxemburgern geht es, relativ gesehen, gut. Bei uns steigt, noch immer, die Nettozahl der Arbeitsplätze, obschon es der Arbeitslosen immer mehr werden. Was lief falsch während der letzten Jahre? Was ist zu tun, jetzt? Nachdem jahrelang Probleme verschleppt wurden? Die Krisenzeit, solange sie dauert, du, Hyper-CSV, und du, Hypo-LSAP, sollte auch zugunsten derer genutzt werden, die unschuldig litten. Es mögen in Luxemburg nur einige Tausend sein, die das faule System jetzt um ein normales Leben bringt. Es dürfte keinen geben. Keinen einzigen.