Warmer Regen

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Eine Reform, die die Ex-Regierung nicht schaffte

Mal ehrlich: Haben Sie nicht einen Blick auf die neue Steuertabelle geworfen, welche die Regierung Ende Februar bei der Vorstellung der Steuerreform veröffentlichte? Falls Sie sich in den letzten Jahren gerupft vorkamen, wird es Sie erfreut haben, was aus den Angaben herauszulesen war. Tatsächlich stellt die Regierung allen Steuerzahlern einen Steuererlass in Aussicht. Wer derzeit mehr zahlt, wird in Zukunft auch mehr im Portemonnaie behalten. Wer keine oder nur wenig Steuern abführt, der kommt in den Genuss eines höheren „crédit d’impôt“. Ob dies jedoch reicht, bezweifelt etwa der OGBL, auch wenn er insgesamt dem Reformvorschlag positiv gegenübersteht.

Alle dürften demnach insgesamt zufrieden sein, mal abgesehen von den Unternehmensvertretern, welche die Wirtschafts- und Geschäftswelt auf der Seite der Verlierer wähnen.
Die Regierung kommt ihrem Versprechen von Steuererleichterungen nach. Es ist müßig, darüber zu streiten, ob es nun ein Jahrhundertentwurf ist oder nicht. Allein schon der Betrag der dem Staat entgehenden Einnahmen von bis zu einer halben Milliarde Euro lässt aufhorchen.

Der Einzelne mag sich über die Steuergeschenke freuen. Schließlich ist jeder sich selbst der Nächste. Dem Staat dürften in den kommenden Jahren jedoch Millionen Euro weniger zur Verfügung stehen für Projekte, die der ganzen Gesellschaft zugute kommen, wie neue Schulen und Straßen, ein leistungsfähigerer öffentlicher Transport. Millionen könnten in Zukunft für eine selektivere Sozialpolitik zugunsten der einkommensschwächsten Schichten fehlen oder aber für eine Absicherung des finanziellen staatlichen Polsters, damit die Sozialsysteme in Zukunft weiterhin auf hohem Niveau funktionieren können. „L’étude indique clairement que, quel que soit le développement futur du secteur financier, à la hausse ou à la baisse, on observera une dégradation des finances publiques, due principalement au vieillissement de la population et au départ à la retraite de larges contingents de frontaliers“, schrieb Le Jeudi diese Woche zu den Ergebnissen einer Studie der Luxemburger Zentralbank.

In anderen Worten, der warme Regen heute könnte morgen zur kalten Dusche werden. Hinzu kommt, dass auch diese Reform kaum dazu beiträgt, die sich seit Jahren weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich zu schließen. Den Höchststeuersatz von 42 Prozent bei einem besteuerbaren Einkommen von 200.004 Euro anzusetzen, sei zwar „gut gemeint“, sagte der Landesverband. Einige zusätzliche Steuerstufen wären aber sinnvoll gewesen. Doch dies ist nicht der Grund, warum der CSV die Reform missfällt.

Konkrete Alternativen sucht man allerdings vergeblich. Ob Klein- und Mittelverdiener mit einer CSV-Regierung besser bedient wären? Erinnert sei daran, dass sich die CSV in der Vergangenheit stets vor einer Überarbeitung der Steuertarife drückte. Es bedurfte schon einer anderen Regierung, um das heiße Eisen anzupacken.
Nicht das einzige Beispiel dafür, dass Oppositionsarbeit tatsächlich vergesslich macht. In einer rezenten parlamentarischen Anfrage wollte das CSV-Duo Adehm und Roth wissen, was die Regierung gegen Steuerbetrug zu unternehmen gedenke. Dabei hatte ein gewisser Jean-Claude Juncker, seinerzeit Premierminister, bereits vor Jahren einen LSAP-Abgeordneten mit dem Problem befasst. Jeannot Krecké legte eine voluminöse Fleißarbeit vor, mit konkreten „Pisten“, wie das Unheil bekämpft werden könnte. Die Studie verschwand in der premierministeriellen Schublade. Das war 1997.