Vom Segen der Papierberge

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In einem Webforum beschrieb jüngst eine Vielleserin, wie sie einen Umzug zum Befreiungsschlag nutzte: Praktisch ihre ganze real existierende Papierbibliothek verschenkte sie und transferierte ihren gesamten Bücherbestand virtuell auf ein Tablet.

Auf so ein Ding kann man fünftausend Bücher runterladen, ohne dass sich das Gewicht dieser Maschine auch nur um ein Milligramm erhöhte.

Wunderbar. Oder? Nun, man darf da aber seine Zweifel haben. Sicher, bei den aktuellen Luxemburger Immobilienpreisen können die Quadratmeter, die man für eine papierne Bibliothek bereitstellen muss, schnell ganz ordentlich ins Geld gehen. Wer sich nur ein Studio leisten kann, für den ist das Tablet in der Tat eine ernsthaft ins Auge zu fassende Alternative. Doch diese impliziert halt dann doch einen ernsthaften Verzicht. Wer als echter Bücherwurm beide Textträger (Papier und Tablet) regelmäßig nebeneinander benutzt, zieht meist letzten Endes doch das althergebrachte Medium vor. Nichts ist allein deshalb besser, „weil wir das hier schon immer so gemacht haben“, doch wird umgekehrt, bloß weil sich jemand eine Maschine namens „Tablet“ ausgedacht hat, das gedruckte Buch mitnichten über Nacht obsolet.

Getrost nach Hause tragen

Nichts ist, wie etwa Evgeny Morozov in seinen Werken nachweist, sinnvoll oder besser, allein schon weil es technisch machbar ist.

Das Stöbern in einer traditionellen Bibliothek ist in der Regel allemal vergnüglicher als das Herumgescrolle und -gesearche auf einem Computer, gerade weil man in der traditionellen Bibliothek so schön von „Hipches op Haapches“ geraten kann. Was heißt, dass man mal hier, mal da einen Band zur Hand nehmen und drin rumblättern kann, so lange bis einem etwas in die Finger gerät, in das man sich dann endlich „festliest“.

Zudem darf man eines nie vergessen: Was ich bei meinem Buchhändler auf Papier erwerbe, kann ich getrost nach Hause tragen. Ich kann drin rumkritzeln sowie Notizzettel, Zeitungsartikel und Tramfahrscheine zwischen die Seiten stecken.

Beim E-Book wird der Leser längst nicht immer zum Eigentümer: Beim US-amerikanischen Branchengiganten Amazon etwa erwirbt der Kunde lediglich eine Nutzungslizenz für das Werk, die Bezos’ Imperium einem, wenn sie denn dort mal einen ungnädigen Tag haben sollten, auch zackoflex wieder entziehen kann.

Und wo wir gerade bei Amazon sind: Die Art und Weise, wie diese Firma die Verlage unter Druck setzt, um bei den E-Books die eigenen Margen zulasten der Buchproduzenten zu erhöhen, macht deutlich, dass hier die Politik eingreifen muss. Nämlich um zu verhindern, dass Amazon seine heute schon marktbeherrschende Stellung dazu missbraucht, um die Verlage zu knebeln und zu nötigen und mithin die Vielfalt und den Reichtum des Bücherangebots und ergo auch der Bibliotheken in Gefahr zu bringen.

Francis Wagner