Viele Zahlen, wenig Klarheit

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20.000 (heute 2.000) Fotovoltaik-Anlagen, 30.000 (heute 3.000) thermische Solaranlagen, 90 (heute 43) Windräder, 10 (heute 1) große Biogas-Blockkraftwerke ...

Die Gäste bei der Eröffnung der Frühjahrsmesse am vergangenen Samstag staunten nicht schlecht. Waren sie bei der falschen Veranstaltung? Hatte der Wirtschaftsminister die falsche Rede erwischt, die eigentlich zur Eröffnung der „Oekofoire“ gedacht war? Oder sollten die dramatischen Ereignisse Anfang April in Fukushima wirklich zu einem energiepolitischen Umdenken geführt haben?

Léon Marx
lmarx@tageblatt.lu

Auch die Rede von UEL-Chef Michel Wurth hätte es so vor dem 11. März 2011 wohl nicht gegeben. Dass sich der Präsident der Handelskammer so nachdrücklich für Öko-Technologien einsetzt, dass er in dem Markt der erneuerbaren Energien eine Chance für Industrie und Handwerk sieht, solche Aussagen hätten sich Umweltfreaks sicherlich schon vor Jahren gewünscht.

Damals etwa, als in den 1990er Jahren ein Mouvement écologique und ein OGBL massiv für energetische Altbausanierungen eintraten, damals, als in Esch eine Twinerg mit einer installierten Leistung von 350 MW (Jahresproduktion 2.500 GWh) entstand, wo Greenpeace und andere dezentrale Blockkraftwerke forderten.

Eine Mega-Anlage, die später, als die nationalen Kioto-Ziele festgelegt wurden, die luxemburgische CO2-Bilanz total verhageln sollte. Und deren Abwärme noch immer nicht optimal genutzt wird.

Dass es ab 2013 EU-weit zu einer Neuregelung der Emissionsberechnungen kommt, dass industrielle Großanlagen künftig nicht mehr den nationalen CO2-Budgets zugerechnet werden, ist zweifellos eine erfreuliche Fügung, ein Glücksfall.

Aber soll man deshalb gleich übermütig werden? Wie Wirtschafts- und Energieminister Jeannot Krecké, der in seiner Foire-Rede neben den eingangs erwähnten Überlegungen im Bereich der erneuerbaren Energien auch den Bau einer zweiten TGV-Anlage („turbine gaz-vapeur“) in Luxemburg angedacht hat?

Welche energiepolitische Strategie?

Beides, der Ausbau alternativer Energien und der Bau einer zweiten TGV-Anlage, kann einzeln gesehen durchaus sinnvoll sein. Aber passt es auch energiepolitisch zusammen? „Il est toujours bien de se doter d’une stratégie, mais au-delà, il faudra encore la réaliser“, heißt es an anderer Stelle der Rede.

Spricht man mit Energieexperten, so hört man immer wieder die Frage, ob Krecké wirklich eine Strategie hat. Vieles an den Aussagen deutet eher auf einen energiepolitischen Befreiungsschlag eines nervösen Ministers hin, der – wie auch seine Vorgänger der unterschiedlichsten Couleur – den Druck der wirtschaftlichen und der gesellschaftlichen Kräfte lange Zeit falsch einschätzte und am Ende nicht anders konnte, als zumindest eine 180-GradWende zu versuchen.

Zwei zentrale Fragen stellen sich bei dem Aktionsprogramm des Ministers:

• Kann ein stabiles Versorgungsnetz gleichzeitig einer dezentralen Produktion (erneuerbare Energien) und einer weiteren zentralen Produktion (zweite TGV-Zentrale an einem noch zu bestimmenden Ort) gerecht werden?

• Ist die Finalität die Absicherung der nationalen Stromversorgung, oder geht es darum, einem Energiekonzern den Weg zu ebnen, sein Gas in Luxemburg zu „veredeln“ und von hier aus in Form von Strom mit einer satten Gewinnmarge ins europäische Verbundnetz zu verkaufen?

Jeannot Krecké hat in seiner Rede leider nur Anlagenzahlen, aber keine Leistungszahlen genannt. Eine vorsichtige Schätzung macht aber schnell klar, dass bei der Rechnung etwas nicht aufgeht, dass Luxemburg am Ende mehr Strom produzieren würde als die 6.200 GWh, die es selbst verbraucht.

Eigentlich erstaunlich, dass von den 60 Abgeordneten, die auf Krautmarkt sitzen und als Legislative eigentlich den politischen Kurs des Landes vorgeben oder zumindest überwachen müssten, bislang keinem eine kritische Frage zu dem einfiel, was Jeannot Krecké bei der Eröffnung der Frühjahrsmesse da an Ideen lancierte.