Unfair & Unstabil

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Dass die CSV seit jeher ein feines Gespür für die latenten Ängste der Wählerschaft hat, zeigen ihre Slogans. „De séchere Wee“ führte sie 2004 zum Erfolg; 2009 bot sie „Zesumme wuessen“ an und bekam dafür 26 Sitze, nur fünf weniger als die absolute Mehrheit.

Gäbe es die aus ihrem Dunstkreis entstandene ADR nicht, so regierte sie wahrscheinlich allein. Sowieso ist nicht auszuschließen, dass die beiden konservativen Parteien irgendwann, vielleicht schon diesmal, ihr gemeinsames Interesse wahrnehmen: die ungeteilte Macht.

Alvin Sold asold@tageblatt.lu

„ De séchere Wee“ und „Zesumme wuessen“ waren Wahllügen. Juncker und Frieden führten Luxemburg nicht mit sicherer Hand; sie hatten dafür auch keine Zeit.

In Europa wollten die beiden gelernten Juristen große Rollen als Finanzpolitiker spielen. Die flagrante Inkompetenz, ihre und die ihrer EU-Kollegen, führte Europa an den Rand des finanziellen und sozialen Zusammenbruchs. Ihr als Sparen und Schuldenabbau getarnter Anschlag auf den Sozialstaat, den die Milliardäre wollten, trieb im Endeffekt Millionen von Menschen, insbesondere junge und ältere, in die Arbeitslosigkeit und die Armut. An den Börsen rieben die Kasinokapitalisten sich die Hände. Sie dürfen es heute noch.

Und heute kommen die an den europäischen und luxemburgischen Missständen mitschuldigen Herren uns mit dem Slogan „Fair & Stabil“!

War es eine Fairness (in der Gesellschaft, im Alltag), Stabilität (der Arbeitsplätze, des Einkommens) anstrebende Politik, die in den vergangenen Jahren in Luxemburg unter CSV-Regie praktiziert wurde?

Unter CSV-Regie: So ist es doch, dass Juncker, fast alles zur Chefsache erklärend, den kleinen Koalitionspartner an den Rand drückte, wo er Unpopuläres erledigen durfte, zum Beispiel den Einstieg in eine Salami-Pensionsreform?

Ein paar Zahlen nur, um aufzuzeigen, wie unfair es seit zehn CSV-Juncker-Jahren in Luxemburg zugeht, und wie unstabil das Land geworden ist:

– Die Staatsschuld stieg um 491,1% von 1,562 Milliarden auf 9,232 Milliarden.

– Die Arbeitslosigkeit wuchs um 202,4% von 4.954 auf 14.983 Ende 2012. Inzwischen sind „wir“ bei über 17.000.

– In den genannten zehn Jahren kletterten die nicht mehr voll, weil manipulierter Index, kompensierten Preise um 26,6% bei den Lebensmitteln, um 51,2% bei den Wohnkosten, um 41,9% bei den Verwaltungen.

– Die offiziell als „arm“ geltenden Mitbürger sind heute rund 70.000, so viele wie die Einwohnerschaft von Esch und Differdingen und Düdelingen zusammen. Fairness? Stabilität?

Nie zuvor gab es solche Zustände in Luxemburg, wo die CSV, nach eigener Darstellung, das Sagen hatte, hat und haben will.

Könnten andere es besser?

„Warum nicht?“, würden wir als Gegenfrage anbieten.

Die Demokratie lebt vom Wechsel.

In Luxemburg besteht der Wechsel nicht darin, dass die CSV mit einem anderen Kleinpartner ihre erwiesenermaßen schädliche Politik macht.

Der Wechsel besteht in einer die Demokratie belebenden „alternance“, wie es sie seit dem Zweiten Weltkrieg im verflossenen 20. Jahrhundert nur einmal (!!!) gab: 1974, als die LSAP und die DP unter der Führung von Gaston Thorn eine Regierung bilden konnten, die bald schwierigsten Aufgaben gegenüberstand.

Vielleicht springen sie …

Damals geriet Luxemburg binnen weniger Monate in eine Krise, die unvergleichlich schwieriger zu bewältigen war als die gegenwärtige. Wir waren eines der wenigen Stahl-Länder, die betroffen waren; Luxemburg musste sich selber helfen, allein, schöpfend aus dem Schatz der Solidarität. Thorn, der Neue, war auf Werner gefolgt; er ersetzte ihn in gefährlichster Lage, zum Wohl des Landes. Warum sollte Juncker heute unersetzbar sein?

Was machten wir denn, wenn er 2014 auf Merkels Order nach Brüssel müsste, wie es eigentlich in seiner Lebensplanung vorgesehen war, als er die Rechnung ohne seinen christdemokratischen Gegenspieler Van Rompuy machte?

Wen hätten wir dann zu nehmen, auf CSV-Beschluss hin? Frieden, trotz allem?

Oder Wiseler? Wolter? Spautz?

Vielleicht wagen die Luxemburger was. Vielleicht nutzen sie die Gunst der Stunde. Vielleicht springen sie über ihren schwarzen Schatten.