Und das Kind?

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Roger Infalt rinfalt@tageblatt.lu

Durch die Erfahrung der herzlichen, bedingungslosen Liebe ihrer Eltern können Kinder so lebenswichtige seelische Grundlagen entwickeln wie Urvertrauen, Geborgenheit, Selbstbewusstsein und dieses einfache und so wertvolle „Ich fühle mich wohl in meiner Haut“. Frühe und starke Defizite dieser psychologischen Grundlagen führen oft zu lebenslangen Mangelerscheinungen und psychischen Defekten.

Je kleiner das Kind, desto ursprünglicher werden diese grundlegenden Qualitäten der Liebe durch Körperkontakt, Zärtlichkeit, wohlwollendes Lächeln und Sprechen vermittelt und auch, indem man die Bedürfnisse des Kindes befriedigt, einfach da ist und ihm zu verstehen gibt: „Schön, dass es dich gibt!“

Am Montag wurde im Berschbacher Blindenheim eine „Maison relais“ für Kinder im Alter zwischen zwei Monaten und vier Jahren offiziell ihrer Bestimmung übergeben. Nichts Außergewöhnliches, wären da nicht die etwas unüblichen Öffnungszeiten: Die Kindertagesstätte hat nämlich von 5 Uhr in der Früh bis 23 Uhr abends geöffnet. Und das auch an Sonn-, Feier- und Ferientagen.

Endlich haben Eltern, die beide im Schichtbetrieb arbeiten, eine Möglichkeit, ihr Kind in einer speziellen Einrichtung unterzubringen. Das wurde auch bei der Eröffnung hervorgehoben.
Doch bei der anschließenden Besichtigung wollte niemand laut auf die Frage antworten, wie das Kind es – um nur dieses Beispiel zu nehmen – verkraftet, mitten in der Nacht zu Hause wachgerüttelt zu werden, um dann wenig später wieder in der „Maison relais“ zum Schlafen hingelegt zu werden. Oder andersrum: Das Kind schläft abends in der „Maison relais“ ein, wird aber um 22.30 Uhr geweckt, weil die Eltern da sind, um es nach Hause ins Bett zu bringen.

Kurzfristige Planung

Den Eltern – und das wollen wir hier auch nicht in Frage stellen – ist natürlich mit solchen Betreuungsstätten geholfen, doch was tun wir dem Kind an? Leider planen wir in unserem persönlichen Leben oder als Verantwortliche in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Bildungswesen nur für einige wenige Monate oder Jahre im Voraus. So ist es nicht verwunderlich, dass es kaum fundierte Publikationen über die Welt im Jahr 2010 oder 2020 gibt. Da gibt es einerseits „Fachleute“, die uns weismachen wollen, dass wir auf dem absolut richtigen Weg seien, andererseits gibt es aber auch „Spezialisten“, die heute vor einem gesellschaftspolitischen „GAU“ im Jahre 2020 warnen.

Die Konsequenz ist, dass alle unsere Planungen kurzfristig und dilettantisch sind. Es ist fraglich, ob wir auf dieser Grundlage die Entwicklung unserer Gesellschaft in die richtige Richtung lenken können. Die Familie, die – und das ist nicht neu – eine überaus wichtige Rolle zu spielen hat, besteht heute aus Großeltern, die im Altersheim leben, aus Kindern, die in Tagesstätten und Ganztagsschulen groß werden, sowie aus Eltern, die alle beide tagsüber keine Zeit für „Familienleben“ haben.

Die Familie ist zu etwas geworden, das so ganz nebenbei und irgendwie funktioniert – oder auch nicht. Und damit sind wir auf dem besten Weg in Richtung „Sackgasse“.
Wir – wir alle – werden verlieren. Unser absolutes Desinteresse an dem, was in der Welt , was in unserer Gesellschaft vorgeht, die Ablehnung jedweder Änderung und die totale Überzeugung eines jeden Einzelnen, dass man selbst alles bestens macht, werden auch in diesem Fall dazu führen, dass sich die Spezies Mensch selbst zerstört.