/ Trostlose Hauptstadt
„Traurige Welt“, fällt einem da ein. Europa lässt grüßen. Alles wird vereinheitlicht. Alles soll gleich aussehen, gleich schmecken, gleich riechen … Platz für Fantasie und Kreativität, ein klein wenig „Verrücktheit“, bleibt da keine mehr. Und jetzt werden auch schon die Terrassen ein Opfer der Harmonisierungswut der Technokraten, Bürokraten und Politiker.
Das ist sehr schade! Denn es gibt doch nichts Schöneres, als bei eitel Sonnenschein durch die Stadt spazieren zu gehen und sich an der Farbenpracht des Sommers zu erfreuen. Und dazu gehören nun mal auch die Terrassen, mit ihrem farbenfrohen Mobiliar und bunten Sonnenschirmen.
Im Allgemeinen leidet unsere Gesellschaft unter einem großen Problem: die Uniformisierung. Autos sind nur „in“, wenn sie eine bestimmte Farbe haben. Die Hausfassaden einer Straße müssen ebenfalls in verschiedenen Farbtönen gehalten werden. Kleider sind nur in einigen limitierten Farben modisch. Der Mensch wird auf diese Weise beeinflusst, man kann sogar sagen: „dressiert“.
Paradoxe Welt
Man lebt in einem permanenten Widerspruch. Auf der einen Seite wird einem vorgeworfen, die Fantasie gehe verloren. Kinder würden nur noch vor ihren Spielkonsolen sitzen und jegliche Kreativität verlieren. Auf der anderen Seite wird aber auch nichts getan, damit unsere Welt bunter wird. Im Gegenteil! Die Monotonie gewinnt die Oberhand. Mit dem Resultat, dass immer mehr Menschen sich nicht mehr trauen, neue Wege zu beschreiten.
Man muss sich entscheiden: Entweder man setzt auf die Gestaltungsfreiheit und riskiert ein etwas bunteres, lockereres Erscheinungsbild zu kreieren, oder man privilegiert die langweiligere, aber harmonische Variante.
Die Stadt Luxemburg versucht ihre Entscheidung zu rechtfertigen, indem sie erklärt, dass andere europäische Städte ebenfalls solch eine Terrassen-Charta ausgearbeitet hätten. Aber muss man immer das Ausland kopieren? In anderen Bereichen, wo vitale Interessen des Landes auf dem Spiel stehen, zögern wir nicht eine Minute, unseren eigenen Weg zu beschreiten.
Aber vielleicht sind die wirtschaftlichen Interessen nicht wichtig genug. Einige Café- und Restaurantbesitzer haben jedoch bereits angekündigt, dass sie schon vor Kurzem ihre Terrasseneinrichtung erneuert hätten und nicht die notwendigen Mittel aufbringen könnten, um mit der Charta konform zu sein. Ihr Überleben ist in Gefahr.
Es wird auch argumentiert, die Uniformisierung der Terrassen sorge für eine Aufwertung des Stadtzentrums. Aber die verschiedenen Betriebe müssen immer noch durch unterschiedliche Farben voneinander zu unterscheiden sein.
Das heißt: Wer zuerst kommt, malt zuerst. Denn die Farbwahl der Charta ist eher begrenzt. Und einige Unternehmen, deren Identität in der Farbe fußt, die durch ihre Farbwahl einen großen Wiedererkennungswert haben, werden auf diese Weise benachteiligt. Und dann werden manchmal neben den monotonen Terrassen farbige, hässliche Statuen aufgestellt unter dem Vorwand, sie seien von namhaften Künstlern. Wo ist da die Logik?
Es ist klar, dass zu viele Farben, zu viele Freiheiten ebenfalls das Erscheinungsbild des Stadtzentrums kaputt machen können. Aber eine Charta, die fast exklusiv auf braune und graue Töne setzt, braucht die Hauptstadt sicherlich nicht, ebenso wenig wie eine permanente Bevormundung, was man darf und was nicht. Denn bisher blieb die Farbwahl der Cafetiers und Restaurateure noch immer in einem annehmbaren Rahmen. Ein bisschen mehr Vertrauen wäre hier nicht fehl am Platze.
René Hoffmann
rhoffmann@tageblatt.lu
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