Tauwetter

Tauwetter
(Alain Rischard/editpress)

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Die USA sind dabei, einen jahrzehntealten Anachronismus zu begraben. Bereits bei den Beisetzungsfeierlichkeiten für Nelson Mandela 2013 in Pretoria hatten sich Präsident Barack Obama und sein kubanischer Amtskollege Raúl Castro förmlich begrüßt und einige Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht

Seitdem bemühen sich beide Seiten um eine Annäherung. Gestern trafen sich erstmals seit mehr als 50 Jahren die Außenminister beider Seiten. Beim Amerika-Gipfel in Panama sollen beide Präsidenten zusammenkommen.

Seit der kubanischen Revolution Anfang 1959 hatte die stärkste Macht der sogenannten westlichen Welt versucht, den kleinen Inselstaat vor der Haustür ökonomisch und zeitweise auch militärisch in die Knie zu zwingen. Die 1961 nach der erfolglosen Schweinebucht-Invasion verhängte Handels- und Finanzblockade war total. Firmen durften nicht mit dem Land handeln, US-Bürgern war die Reise nach Havanna untersagt. Ausländische Bürger durften nicht von US-Flughäfen aus nach Havanna. Rohstoffe genauso wie Energie musste sich das Land auf weiten Umwegen beschaffen.

Zur Nabelschnur, die der Insel eine im Vergleich zu anderen Ländern der damaligen Dritten Welt bescheidene soziale und kulturelle Entwicklung ermöglichte, wurden die Beziehungen zur vormaligen Sowjetunion, insbesondere Russland, und den anderen Staaten des sogenannten Ostblocks. Von dort stammten die Energieträger und die Rohstoffe, die die kubanischen Betriebe benötigten. Dort wurden Kubas Fachkräfte ausgebildet.

Diese Hilfe war nicht umsonst. Kuba war der sozialistische Vorposten der UdSSR auf dem amerikanischen Kontinent und blieb es bis zum bitteren Ende. Diese Bündnistreue ermöglichte es dem Land jedoch, ein vorbildliches Schulwesen zu organisieren, ein für seine Bürger und die „Compañeros“ anderer Länder einmaliges, unentgeltliches Gesundheitssystem aufzubauen. Von Kubas Schulen und Krankenhäusern profitierten nicht nur Kubaner.

In nur wenigen Jahren nach der Revolution begann das Land, seine „Schulden“ zu begleichen. Zu Tausenden gingen kubanische Ärzte in afrikanischen Ländern an die Front, nicht um zu kämpfen, sondern um verletzte Soldaten zu betreuen. In etlichen afrikanischen Staaten war der Doktor aus Havanna der einzige Arzt, den sich die Menschen leisten konnten, weil die Hilfe unentgeltlich war.

Nicht die US-Sanktionen, sondern das Wegbrechen des größten Bündnispartners und Geldgebers Sowjetunion Anfang der 1990er brachte Kuba demnach so richtig in Bedrängnis.

Die Herausforderung für Kubas Führung wird es sein, die neue Annäherung zum ehemaligen Erbfeind im Interesse der eigenen Bürger zu gestalten. Ob das gelingen wird und der Inselstaat das Positive aus der „sozialistischen“ Vergangenheit hinüberretten kann, ist freilich eine andere Frage. Zumal die US-Besitzansprüche auf Kuba wohl kaum unterm Tisch verschwinden werden.

lmontebrusco@tageblatt.lu