Spitzenbeamten -Mikado

Spitzenbeamten -Mikado

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In puncto Staatsverwaltung und höhere Beamte wurden in letzter Zeit einige liebgewonnene, vermeintliche Gewissheiten etwas aufgerüttelt.

Die Regierungen gehen, die Verwaltung bleibt, heißt es. Der Staatsbeamte ist bekanntlich auch dem Staat verpflichtet, und nicht seinen eigenen Interessen oder denen einer Partei.

Sascha Bremer sbremer@tageblatt.lu

Die Realität ist natürlich nuancierter. Der Wille von drei der vier „Direktoren“ aus dem Finanzministerium, ihren Rücktritt einzureichen, ist hier nur das letzte Exempel dafür, dass die bestehenden Praktiken in puncto Arbeitsaufteilung, Vergütung, Rekrutierung, persönliche und politische Loyalitäten usw. an der Spitze der Verwaltungen an ihr Limit gestoßen sind.

Das Grundproblem rührt in erster Linie daher, dass die politischen Verhältnisse in den letzten Dekaden zu stabil waren. Wenn eine „alternance“ der Regierungen für viele Bürger nicht einmal vorstellbar ist, dann stellen sich auch die Spitzenbeamten notgedrungen darauf ein, dass nach Wahlen kein fundamentaler Wechsel bevorstehen wird.

Ob der Spitzenbeamte nun eine politische Präferenz hat oder nicht, er wird sich mit den politischen Machthabern arrangieren. In anderen Worten, das zementierte politische System fand sein Spiegelbild in einer zementierten Verwaltung wieder.

Es ist dies ein Ausdruck unseres doch immer noch sehr paternalistischen Staates. Auf eine gewisse Weise ist die Kontinuität, welche die Verwaltung gegenüber den veränderbaren Konstellationen zeigen soll, ja auch gewollt. In einem System aber, das sich nur alle paar Dekaden auffrischt, geht das so lange gut, bis entweder die (jahrzehntelang) bestimmende politische Partei nicht mehr Teil der Regierung ist oder aber die Strukturen schlicht und einfach nicht mehr der Zeit angemessen sind.

Dass der erste Fall nun eingetreten ist, war zumindest stets theoretisch möglich. Seit den 70er Jahren kam es bis jetzt genau zweimal zu dieser Situation.

Viel schwieriger festzustellen und zu behandeln sind jedoch die strukturellen Zwänge. Ein Symptom hierfür sind Verquickungen von staatlichen und privatwirtschaftlichen oder regulatorischen Interessen, die in den Händen der Spitzenbeamten gebündelt werden. Das mag oft sehr gut sein für die Interessen des Staates. Oft genug macht sich der Staat damit aber auch angreifbar, oder aber dies geht auf Kosten von anderen, nicht minder legitimen Interessen.

Stabilisierung oder Outsourcing

Wenn also das bestehende System sich sowohl lähmend auf das Politische wie auch auf die Verwaltungsarbeit und darüber hinaus auswirkt, dann ist es schlicht nicht mehr zeitgemäß. Doch auch hier gab es vor allem in den beiden letzten Legislaturperioden zumindest ansatzweise den Versuch, die Strukturen weiterzuentwickeln. Etwa durch die Ernennung von Kabinettschefs. Eine unbefriedigende Lösung, wie man spätestens seit Freitag weiß.

Ein nicht unwichtiger Teilaspekt dieser ganzen Gemengelage bleiben die Fragen nach der Vergütung der Spitzenbeamten, der Postenbesetzung in den Aufsichtsräten, in denen der Staat sitzt, und der öffentlichen Aufmerksamkeit.

Wer immer noch glaubt – und davon gibt es einige –, dass die ganze mediale Exposition dem Minister gilt, weil dieser Teil des politischen Spiels ist und er selber eben nicht, macht sich in der heutigen Zeit Illusionen. Denn wer im Dienst der Öffentlichkeit die Weichen mitstellt, wichtige Machtpositionen und -befugnisse innehat, ist letztlich auch gegenüber der Öffentlichkeit rechenschaftspflichtig. Inwieweit oder wie viel, darüber kann man streiten. Ob dies allerdings überhaupt etwas bringt, bleibt fraglich, denn nolens volens ist dies in den letzten Jahren immer mehr – für einige eine schmerzhafte – gelebte Realität geworden. Der Spitzenbeamte, der sich ausmalte, er könne quasi ad vitam aeternam unter Ausschluss der Öffentlichkeit seine Arbeit verrichten, muss sich mittlerweile eines Besseren belehren lassen. Ganz klar ist dies ein Faktor, welcher die Problematik für den Staat nach der Suche von geeigneten Spitzenbeamten nochmals verstärkt.

Wie aber ein System aufbauen, das einerseits den zuständigen Ministern Flexibilität erlaubt, andererseits aber dem Verwaltungsgefüge genug Stabilität gewährt, um besonders an den international entscheidenden Schnittstellen auf höchstem Niveau arbeiten zu können? Auch wenn nirgends ein Ansatz einer Antwort auf diese Frage besteht, muss sie geklärt werden. Vorausgesetzt, man will wieder Stabilität herstellen – denn die externen Beratungsfirmen stehen schon längst bereit, um mehr als nur beraten zu wollen.