/ Schön, sauber, produktiv

Der Gaststättenverband Horesca, der sich vergangene Woche zu seiner Generalversammlung traf, sieht die Zukunft der traditionellen Dorfkneipe gefährdet.
Das Niederlassungsrecht, das stark vereinfacht werden soll – u.a. sollen die sogenannten Konzessionen, also die Genehmigungen zum Betrieb eines Ausschanks, stark verbilligt und eine berufsspezifische Qualifikation wird nicht mehr verlangt werden –, wird, so die Befürchtung der Experten, dazu führen, dass sich niemand mehr in ländlicher Umgebung hinter den Tresen stellen wird, da die wirtschaftlichen Bedingungen in und am Rande der urbanen Zentren verlockender und rentabler erscheinen werden. Die Dorfkneipe, die von der Horesca als Ort des sozialen und kulturellen Austauschs gelobt und als zwischenmenschliche Begegnungsstätte außerhalb des virtuellen Raums von Internet-Foren und künstlichen Facebook-Welten verteidigt wird, steht demnach vor einem Überlebenskampf bzw. steckt mittendrin. Bereits jetzt sind viele der gemütlichen „Schlappecafés“ verschwunden.
Den Todesstoß, so prognostizieren die Gastronomen, werden die gemütlichen Kneipen spätestens dann erhalten, wenn das staatliche Rauchverbot auch in den Gaststätten gelten wird.
Konnte die Öffentlichkeit, auch die der Raucher, dem Zigarettenverbot in Restaurants noch – wenn auch nach Murren ob des verbotenen Genusses danach – mit einem gewissen Verständnis begegnen, so ist die Situation in den Gaststätten eine andere, auch was die öffentliche Meinung betrifft.
Wirte als Gesundheitshüter
Immerhin akzeptieren 55 Prozent der Bevölkerung (laut TNS/Ilres-Studie), dass in Cafés geraucht wird, sogar 41 Prozent der Nichtraucher meinen, ein Verbot sei nicht notwendig. Doch allen Prinzipien der Subsidiarität zum Trotz verlangt die EU einen Verzicht auf das Inhalieren von Rauch auch in den Gaststätten. Das Selbstbestimmungsrecht der Wirte wird außen vor gelassen; selbst wer kein Personal beschäftigt (für arbeitsrechtlichen Schutz vor ungesunden Arbeitsplätzen wäre noch Verständnis aufzubringen), muss, sollten die Pläne der Regierung umgesetzt werden, die Ascher entfernen und der Kundschaft die Zigarette verbieten.
Somit würden sich die Cafés in mehr oder weniger aseptische Räume verwandeln, in denen die Kunden am besten auf den Konsum alkoholischer Getränke verzichten und nurmehr intelligente Sprüche verbreiten sollten.
Die Ideale, die eine Verbotsgesellschaft verbreitet – zu der wir mit gewisser Konsequenz ständig mehr werden –, sind dabei wohl kompatibel mit der in Arbeitgeberkreisen angestrebten Kompetitivität (ausgeruht, fit, dynamisch sollen die Arbeitnehmer sein), haben aber mit den Realitäten der menschlichen Natur, zu der auch gesellige Nächte, Austesten von Grenzen, Genussmittel, auch ungesunde, gehören, wenig zu tun.
Die schöne, saubere und produktive Welt gibt es in der Form nicht und sollte auch kein Ideal sein.
Die Gaststätten sollten in dem Sinn ein Ort des Rückzugs sein, eine Insel außerhalb der „brave new world“ bleiben und der Wirt sollte entscheiden können, ob er denn nun Zigarren- und Zigarettenrauch in seiner Kneipe möchte oder nicht.
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