Rückschritt und Fortschritt

Rückschritt und Fortschritt

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Das Jahr 2013 nähert sich dem Ende, womit auch wieder die Zeit der traditionellen Rückblicke gekommen ist.

Neben den wichtigen historischen, nationalen und internationalen Ereignissen, die dieses Jahr geprägt haben, war 2013 auch das Jahr des 300. Jahrestags der Geburt von Denis Diderot, dem Vater der „Encyclopédie“ und Autor der unerbittlichen Klostersatire „La Religieuse“.
Diderot vertrat den Geist der Aufklärung. Er steht für die Demokratisierung des Wissens, für die Selbstbestimmung des Menschen und gegen den religiösen Obskurantismus. Dass diese Werte auch heute nicht an Aktualität verloren haben und der gesellschaftliche Fortschritt nicht einfach gegeben ist, sondern politisch erkämpft und verteidigt werden muss, zeigt derzeit leider das Beispiel Spanien, wo die konservative Regierung einen Angriff auf die Rechte der Frauen gestartet hat. Seit 2010 hat das Land eine liberale Gesetzgebung und gewährt einer Frau das Recht, selbst über ihren Körper und ihr Leben zu bestimmen und eine ungewollte Schwangerschaft bis zur 14. Woche abzubrechen.
Doch mit dieser Freiheit soll jetzt Schluss sein, denn die konservative Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy kommt einer alten Forderung der katholischen Kirche nach und versucht, diese bestehende Errungenschaft abzuschaffen. Ein vom tiefreligiösen spanischen Justizminister Alberto Ruiz-Gallardón ausgearbeiteter Gesetzesentwurf leitet nun den gesellschaftlichen Rückschritt ein und strebt eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze Europas an, bei dem ein Schwangerschaftsabbruch nur noch in wenigen Ausnahmefällen erlaubt sein soll.

Michelle Cloos mcloos@tageblatt.lu

Neue Perspektiven

Man fühlt sich fast wie in einer verkehrten Welt. Während Spanien gesellschaftspolitisch zurück in die Vergangenheit fällt, gibt es in Luxemburg die Perspektive eines realen Fortschritts. Die vorgezogenen Neuwahlen vom 20. Oktober haben nämlich eine neue Möglichkeit geschaffen. LSAP, DP und die Grünen haben eine Mehrheit von 32 Sitzen im Parlament erlangen können. Auch haben sie die Chance, neue gesellschaftspolitische Wege zu beschreiten, erkannt und ergriffen. Das vorliegende Regierungsprogramm verspricht die Modernisierung der Luxemburger Gesellschaft und hält eine ganze Reihe von Reformen fest, die sie eindeutig ins 21. Jahrhundert katapultieren.
Die Erwartungen und der Erfolgsdruck auf die neue Regierung sind natürlich groß. Denn erstmals seit über 30 Jahren findet sich die CSV auf der Oppositionsbank wieder. Vor 2013 waren die anderen Parteien immer nur möglicher Juniorpartner in der Regierungskoalition, während die übermächtige CSV fortschrittliche Reformen bremste und sich nur dann bewegte, wenn sie riskierte, von der gesellschaftlichen Entwicklung überrumpelt zu werden, wenn es also eine Bedingung war, um den eigenen Machterhalt abzusichern.
Mit der rot-blau-grünen Dreierkoalition sind jetzt alle Türen für gesellschaftspolitische Reformen weit geöffnet.
Das Beispiel Spanien erinnert aber leider daran, dass die reaktionären Kräfte nicht schlafen und ein erzielter Fortschritt nicht notwendigerweise ewig währt, dass also ständige Wachsamkeit erfordert ist, um das Erreichte abzusichern und zu verteidigen.
Natürlich beschränkt sich der Fortschritt auch nicht auf die Gesellschaftspolitik. Um eine Gesellschaft wahrhaftig nach vorne zu bringen, sollte diese auch von einer fortschrittlichen, gerechten Sozialpolitik begleitet werden.