Reform

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„Planmäßige Neuordnung, Umgestaltung, Verbesserung des Bestehenden“, so definiert der Duden das Wort „Reform“. Der Begriff wird allerdings allzu oft falsch benutzt und sogar zur Bezeichnung von Maßnahmen angewendet, die keineswegs einen Fortschritt irgendwelcher Art, sondern einen regelrechten Rückschritt darstellen.

Aufgrund dieser nicht akkuraten Anwendung ist der Terminus mittlerweile abgenutzt und leidet unter einer gewissen semantischen Leere.

Michelle Cloos mcloos@tageblatt.lu

Seine vollständige Bedeutungskraft erhält das Wort jedoch bei der nun geplanten – längst überfälligen – Reform der Luxemburger Abtreibungsgesetzgebung.

In den 70er-Jahren hatte die sozialistisch-liberale Regierung des ehemaligen Premierministers Gaston Thorn erstmals ein Zeichen gesetzt. Das Gesetz von 1978 stellte damals einen bedeutenden Schritt nach vorne dar. Der Kampf für die Verbesserung und das Votum der Reform im Parlament waren allerdings alles andere als einfach. Der Widerstand der konservativen Kräfte war nämlich unerbittlich. Die Jahrzehnte danach waren durch den legislativen Stillstand in puncto Abtreibung und Recht auf Selbstbestimmung der Frau geprägt.

Die erste Regierung ohne CSV-Beteiligung nach mehr als 30 Jahren will die Luxemburger Gesellschaft jetzt endgültig entstauben.

Die Gesetzestexte sollen fortan den Realitäten einer modernen Gesellschaft entsprechen. Die Abtreibung soll nicht mehr im Strafgesetz geregelt werden, die Information für die betroffenen Frauen soll neutraler werden, die überflüssige schriftliche Deklaration entfällt und die als unnötige Schikane zu wertende zweite Pflichtberatung wird abgeschafft. Die Neuerungen läuten endlich das Ende der Bevormundung der Frauen ein.

Das ist natürlich positiv, ganz besonders da andere EU-Länder, die noch vor kurzem die Speerspitze des gesellschaftspolitischen Fortschritts bildeten, den umgekehrten Kurs einschlagen. Die konservative Regierung in Spanien legt derzeit beim Schwangerschaftsabbruch den Rückgang ein und plant, das Recht auf Selbstbestimmung der Frauen ganz über Bord zu werfen.

Mit der Entstaubung der Gesetzgebung zum Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft bringt die Dreierkoalition zudem ihre erste große gesellschaftspolitische Reform (im wahrhaftigen Sinne des Wortes) auf den Weg. Eine ganze Reihe von weiteren gesellschaftlichen Modernisierungsprojekten sollen folgen. Sei es bei der Eheschließung, der Adoption, der Scheidung, der Filiation, beim Religionsunterricht in den Schulen, den Beziehungen zwischen Kirche und Staat usw.

Das ist ebenfalls positiv.

Wichtig und sogar wesentlich ist allerdings, den Fortschritt nicht auf die gesellschaftspolitischen Fragen zu beschränken.

Soziale Fragen nicht vergessen

Auch in der Sozialpolitik ist eine progressistische Einstellung unabdinglich. Solidarität und soziale Gerechtigkeit müssen hier mehr als nur Schlagwörter sein.

Im Gegenteil, sie sollten den politischen Leitfaden bilden – gerade nach mehreren Jahren der europaweiten Austeritätspolitik, der angeschlagenen Kaufkraft und der sinkenden Reallöhne. Eine Entwicklung, von der auch Luxemburg nicht verschont geblieben ist.