Rechenschaft und Kontrolle

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Es gibt sie also doch noch: Personen an der Spitze von Institutionen, die nicht von der eigenen Unfehlbarkeit ausgehen. Deshalb sind sie sich dann auch nicht zu schade, in aller Öffentlichkeit ein Mea culpa auszusprechen, wenn sie etwas Fürchterliches angestellt oder sich schlicht geirrt haben. Ein Schuldeingeständnis dieser Art hat noch nichts mit dem zu tun, was man allgemein mit „Verantwortung tragen“ umschreibt.

Die Rede ist (natürlich) vom Internationalen Währungsfonds (IWF) in Bezug auf die „Rettung“ Griechenlands. In einem Anflug von Ehrlichkeit stellte der IWF letzte Woche vor allem zwei Dinge klar: 1) Die Annahme über das griechische Wachstum nach der dem Land aufgezwungenen Sparkeule war viel zu optimistisch. 2) Es dauerte zu lange, bis es zum Schuldenschnitt kam. Damit konnten viele private Investoren ihre Schäfchen rechtzeitig ins Trockene bringen.

Besonders Punkt 1 wurde im Vorfeld von vielen vorausgesagt. Die Warnung vor dem „zu Tode sparen“ war im Falle Griechenlands kein Hirngespinst von fehlgeleiteten Ideologen. Im Gegenteil. Auch wenn im Fall der Mittelmeer-Republik sowohl der staatliche als auch der private Sektor einen großen Teil der Schuld tragen, so wird der Troika um IWF, EZB und Brüsseler Kommission dennoch die zweifelhafte „Ehre“ zuteil, der hellenischen Wirtschaft den Todesstoß versetzt zu haben.

Aus einer historischen Perspektive heraus können Staaten, Länder, Volksgemeinschaften zwar wiederauferstehen. Doch ist unter den jetzigen politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten kaum auszumachen, wie die Abwärtsspirale der Rezession dort umzudrehen, geschweige denn die Verschuldung – die ja erst durch die Sparkeule so richtig angefacht wurde – zu reduzieren ist.
So weit, wie der IWF in der Erkennung seiner Schuld schon kam, ist die Brüsseler Kommission noch lange nicht.

Seit 2010 verpasst man den europäischen Staaten von Brüssel aus eine Austeritätspolitik, schrieb letzte Woche Wirtschaftprofessor Paul de Grauwe im belgischen Le Soir. Doch das, was als Weg aus der Krise gedacht ist, oder besser, den Leuten verkauft wird, ist letztlich verantwortlich für die Vertiefung der Krise – weil die Diagnose der Probleme der Eurozone falsch ist.

Die sogenannte Staatsschuldenkrise war nicht der Ausgangspunkt, sondern das Resultat der Krise, die vor allem den Süden des Kontinents befällt. Die Explosion der Staatsschulden steht am Ende einer Kette von Ereignissen, die zwei Ursachen haben, wie an dieser Stelle bereits mehrere Male geschrieben wurde: 1) die übermäßige Verschuldung der Privatpersonen aus der europäischen Peripherie, angetrieben durch viel zu niedrige Zinsen, und 2) die übermäßige Vergabe von Krediten von den Banken aus dem Norden an die Länder des Südens. Verantwortung tragen beide Seiten.

Die Kontrolleure gehören kontrolliert

„Doch statt neutraler Vermittler zwischen Schuldner und Kreditgebern zu sein, identifizierte sich die EU-Kommission resolut mit den Interessen der Kreditgeber-Länder“, meint De Grauwe. Das Diktat der Kreditgeberländer führte dann zur Rezession in Europa. Und natürlich zur Arbeitslosigkeit, einem in den Augen der „Verantwortlichen“ rein statistischen Problem.

Doch wer kontrolliert eigentlich die Kontrolleure der EU-Kommission?, fragt sich Paul de Grauwe. „Niemand. Und das ist das Problem“, wie er zu Recht feststellt. Es braucht sich also niemand so richtig verantwortlich zu fühlen – eigentlich die Krankheit unserer Zeit.

Sich allein auf ein „Mehr an Europa“ als Lösung der Krise zu berufen, genügt nicht. Wir brauchen ein Mehr an Kontrolle und die Verantwortlichen müssen mehr Rechenschaft über ihre Taten ablegen. Mehr Demokratie versprechen genügt nicht, sie muss umgesetzt werden.