Plädoyer für Beteiligung

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Gegen Politikverdrossenheit helfen Offenheit und Transparenz

Die Botschaft müsste mittlerweile in der politischen Klasse sowie bei den ihr verwandten Entscheidungsträgern in der Wirtschaft angekommen sein: Die Menschen – oder sollte man sagen, Bürger – in den europäischen Ländern wollen verstanden, berücksichtigt und, wo möglich, eingebunden werden, wenn große, sie betreffende umfängliche Entscheidungen vorbereitet werden. Zwar hat bislang noch niemand die parlamentarische Demokratie westlichen Zuschnitts, wie sie mittlerweile mehr recht als schlecht in den EU-Staaten funktioniert, infrage gestellt. Doch sind in den vergangenen Jahren, nicht allein aufgrund der neuen Kommunikationstechnologien, die Ansprüche an die Politik und ihre Akteure gestiegen. Vor allem was die Ergebnisse ihres Handelns anbelangt. Die Bankenkrise und die sich daran anschließende Finanz- und Wirtschaftskrise haben auch bei den Wohlwollenden den vagen Eindruck zur Gewissheit werden lassen, dass politische Entscheidungen allzu oft in erster Linie „denen da oben“ dienen, insbesondere wenn es um materielle Dinge geht.

Viele wenden sich in solchen Situationen verdrossen von der Politik ab. Andere gehen, wie jetzt zunehmend nicht nur in unseren Nachbarländern zu beobachten ist, Populisten auf den Leim. Dass die Welt aber eine kompliziertere geworden ist und damit der Erklärungsbedarf erheblich zugenommen hat, scheint sich noch nicht vollumfänglich im Bewusstsein der Akteure in Politik und Wirtschaft durchgesetzt zu haben.

Es darf daher nicht verwundern, wenn beim gegenwärtig in der Diskussion stehenden Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) in vielen Teilen der Bevölkerung die Skepsis ob dem, was in den vergangenen Jahren ausgehandelt wurde, groß ist. Die Erfahrung mit ähnlichen Abkommen führt dazu, dass solche Unternehmungen mit einem Vorschuss an Misstrauen einhergehen, der im Laufe der Zeit, wenn nicht Offenheit und Transparenz den Verhandlungsprozess begleiten, in eine emotionsgeladene und unumkehrbare Ablehnung führen wird. CETA trifft vermutlich das Pech, dass es zeitgleich mit dem Freihandelsabkommen TTIP verhandelt wurde. Dabei ging dann unter, dass die Kanadier wohl mehr mit den Europäern als mit ihren Nachbarn im Süden gemein haben.

Ob mit dem letzten Versuch die Kritiker und Gegner von CETA noch mit einer rechtsverbindlichen Erklärung überzeugt werden können, wird zwar in den Staatskanzleien erhofft, darf aber bezweifelt werden. Denn am Vertragstext selbst wird nichts geändert, weshalb auch in dieser Erklärung nicht mehr stehen kann, als dass beispielsweise die öffentlichen Dienste nicht vom Abkommen betroffen sind, die Staaten auch weiterhin regulieren dürfen und höchste Standards im Umweltschutz (Art. 24.3) sowie bei Arbeitnehmerrechten (Art. 23.2) anstreben sollen. Wenn CETA, wie die EU-Handelsminister gestern in Bratislava erklärten, ein Modell für künftige Abkommen sein soll, dann sollte ihnen die Erfahrung mit dem Widerstand und den erheblichen Bedenken breiter Teile der Zivilgesellschaft als Referenz für deren künftige Einbindung in und Beteiligung an solchen Vorhaben dienen.