Ohne Konzept

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Die vergangenen Jahre hat in der Luxemburger Hochschulpolitik Orientierungslosigkeit geherrscht, zumindest was die finanziellen Hilfen für Studenten angeht.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs hat die ganze Argumentation der Luxemburger Regierung jetzt in sich zusammenbrechen lassen. Das Fazit des EuGH ist unmissverständlich. Die in der luxemburgischen Gesetzgebung eingefügte Residenzklausel schafft eine Diskriminierung. Das Urteil ist eine kräftige Ohrfeige für die Regierung, die nun die Aufenthalts-Regel kippen muss.
Unmittelbar vor den Sommerferien steht man also vor einem regelrechten Schlamassel. Es steht nämlich außer Zweifel, dass die Zeit bis zur nächsten Rentrée nicht ausreichen wird, um kluge und gerechte Änderungsvorschläge vorzulegen. Diese Situation ist die Konsequenz einer Konzeptlosigkeit in puncto Stipendien-Vergabe. Zur Erinnerung: Im Jahr 2010 wollte sich die Regierung mit dem sich in ganz Europa verbreitenden Austeritätsdogma in Einklang bringen und beschloss, auch Luxemburg müsste sich sogenannten „Sparmaßnahmen“ unterziehen.
Eine davon war die Abschaffung des Kindergeldes ab dem 21. Lebensjahr. Sinn und Zweck dieser Entscheidung bleiben bis heute ungeklärt. Da dies aber u.a. ein sehr harter Schlag für sämtliche Familien mit Kindern auf einer Hochschule und deshalb eine sehr unpopuläre Maßnahme war, musste ein neues Stipendien-Gesetz her. Jeder in Luxemburg lebende Student bekam also das Recht auf eine Beihilfe von 6.500 Euro pro Jahr, unabhängig von sozialen Kriterien (plus die Möglichkeit eines Darlehens).

Michelle Cloos mcloos@tageblatt.lu

Voraussehbare Probleme

Nur geschahen diese Neuerungen auf Kosten der Grenzgänger, die zwar in Luxemburg arbeiten und Steuern zahlen, aber nicht wählen dürfen. Bis dahin konnten sie vom Kindergeld profitieren, von den neuen Studienbeihilfen sind sie jedoch ausgeschlossen. Somit erhalten die Grenzgänger keine finanzielle Unterstützung mehr für ihre Kinder an den Universitäten.
Die umstrittene Gesetzesänderung passierte quasi in Rekordzeit. Offene Fragen wurden beiseite geschoben und die sich ankündigenden Probleme ignoriert. Kritiker machten von Anfang an auf die Schwächen des neuen Systems aufmerksam. Auch das diesen Monat verkündete EuGH-Urteil ist eigentlich keine Überraschung. Im Gegenteil. Sieht man sich ähnliche Rechtssachen am Europäischen Gerichtshof an, dann war der Entschluss des EuGH in puncto Luxemburger Studienbeihilfen eindeutig absehbar. Dennoch hielt man drei Jahre lang an einem Gesetz fest, von dem man wusste, dass es aufgrund der zahlreichen Klagen wahrscheinlich nicht lange haltbar sein würde. Man hätte folglich genug Zeit gehabt, um sich einen Plan B auszudenken, der noch am Tag des Urteils hätte vorgestellt werden können. Wahr ist natürlich, dass die neue Hochschulministerin noch nicht lange im Amt ist. Doch hätte ein Ersatzplan schon lange vor dem Ministerwechsel vorliegen können.
Nun bleibt eigentlich nur noch zu hoffen, dass die Studenten nicht die Leidtragenden einer Fehlentscheidung der Regierung sein werden, dass nicht versucht wird, Residenten und Grenzgänger gegeneinander auszuspielen und dass aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt wird. Will heißen, dass sich diesmal genügend Zeit gelassen wird, um ein auf die Zukunft ausgerichtetes, gut durchdachtes und gerechtes Gesetz im Dialog mit den Gewerkschaften und den Studentenvertretungen auszuarbeiten.