„No,we can’t“

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Die Amerikaner sind sauer. Wer könnte es ihnen verdenken? Die (offiziell) zehn Prozent Arbeitslosigkeit, der Zusammenbruch des Immobilienmarkts, der Crash der Rentenfonds, die Wirtschaftsflaute, die beiden Kriege in Übersee lehren auch die Überzeugungsoptimisten aus den Staaten den Blues.

Schuld an diesem Schlamassel ist zwar nicht direkt US-Präsident Barack Obama, doch da sein Vorgänger nicht mehr abzustrafen ist, müssen halt der jetzige Bewohner des Weißen Hauses sowie seine Gefolgsleute im Repräsentantenhaus und in der Senatskammer als Prügelknaben herhalten. Es handelt sich hier um das klassische Szenario der Midterm-Wahlen und die Wirtschaftsthemen stehen am kommenden 2. November wieder im Vordergrund, wenn es heißen wird, das gesamte Repräsentantenhaus, ein Drittel des Senats und 37 Gouverneursposten neu zu besetzen.

In diesem Bereich sieht es ziemlich düster aus für die Obama-Administration. Man kann ihr zwar den Vorwurf machen, im Zuge der „subprime“-Krise nicht immer durchdachte Entschlüsse getroffen zu haben. Wie auch, die Welt stand bekanntlich 2008 am Abgrund eines Finanzkollapses und viele Entscheidungen mussten über Nacht getroffen werden. Aber eigentlich hat Obama schon Beachtliches in der Innenpolitik und mit der Gesundheitsreform sogar Revolutionäres erreicht.

Ab November könnte Schluss damit sein, falls es den Demokraten nicht gelingen sollte, ihre Mehrheit zumindest im Senat zu behalten.

Vor einigen Wochen allerdings herrschte im demokratischen Lager angesichts der Midterm-Wahlen noch Zuversicht. Zusehends gerieten die republikanischen Politprofis, die gestandenen Senatoren und Repräsentanten bei den innerparteilichen Kandidatur-Vorwahlen in Bedrängnis. Die Newcomer aus der Rechtsaußen-Tea-Party-Ecke zwangen die üblichen Kandidaten etwa, ihre Politiken nach ihrem Gusto zu verschärfen, oder besetzten gleich die Kandidatenlisten. Zur Freude der Demokraten, die sich schon ausmalten, dass diese unerfahrenen Politiker durch ihre undifferenzierten Stellungnahmen den Wähler der Mitte vergraulen würden.

Da wurde allerdings die Rechnung ohne den Wirt gemacht, sprich ohne die Republikanische Partei und ihre Fähigkeit, auch die radikalsten Positionen dem Publikum, sprich dem Wähler, schmackhaft zu machen, auch wenn sie diesen eigentlich gar nicht bekommen dürften.

Einerseits sind es gerade die Tea-Party-Kandidaten, die die zornigen Amerikaner anziehen sollen. Versprochen wird, durch die Wahl eines neuen, „frischen“ Gesichts dem Establishment in Washington (ob republikanisch oder demokratisch) eins auszuwischen. Tatsache ist aber, dass das republikanische Establishment und ihre Lobbys längst die „Neuen Radikalen“ übernommen haben und sie für ihre Zwecke und die Interessen von Big-Business benutzen werden.

Ignoranz ist Macht

Für die Demokraten viel schwerer dürfte andererseits Folgendes wiegen: Obwohl sie an der Macht sind, sind es doch die Republikaner, die die Themen der öffentlichen Debatten bestimmen. Die Gesundheitsreform wurde und wird als Sündenfall in den Kommunismus abgestempelt. Man schiebt dem Präsidenten die Schuld für die Wirtschaftsmisere in die Schuhe. Man wettert gegen die Einrichtung eines Gebetsraums für Muslime am Ground Zero, obwohl dies längst der Fall im Pentagon ist. Überhaupt, dieser Präsident, ist der eigentlich ein richtiger, gebürtiger Amerikaner? Ist er nicht sogar selber Muslim?

Die Ignoranz vieler Amerikaner, was die bedeutenden Themen angeht, wird wieder mal von den Republikanern und den ihnen nahestehenden Medien ausgeschlachtet. Dem haben die Demokraten bislang wenig entgegenzusetzen. Bis auf den jüngsten Seitenhieb Obamas gegen seine Gegner: „Der Wahlslogan der Republikaner dieses Jahr heißt: No, we can’t. Ziemlich inspirierend, was?“

Sascha Bremer
sbremer@tageblatt.lu