Nichts Ganzes, nichts Halbes

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Am Donnerstag (22.11.12) wird es also so weit sein. Im Parlament werden die Mehrheitsfraktionen von CSV und LSAP wohl einstimmig – Fraktionszwang verpflichtet – die Reform zur Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen, gegen einen Großteil der Opposition, verabschieden.

Dies obwohl (fast) niemand so ganz mit dem vorliegenden Text zufrieden zu sein scheint bzw. sein kann.

Tom Wenandy twenandy@tageblatt.lu

Während erzkonservative Kreise wohl am liebsten die Abtreibung ganz verbieten würden (Zuwiderhandlungen würden dann wohl auch mit dem Scheiterhaufen geahndet), sind die liberal-humanistischen und progressiven Kreise im Land doch zu Recht enttäuscht und wütend. Die Reform ist nämlich nichts Halbes und nichts Ganzes.

Sicherlich, der LSAP gebührt das Verdienst, dass sie das Thema Abtreibung auf die politische Tagesordnung gesetzt hat, doch das, was danach folgte, war der ganzen Diskussionen und Mühen nicht wert. Auch wenn die Sozialisten – aus ihrer Sicht verständlich – das Ganze als Erfolg und als wichtigen Schritt nach vorne verkaufen wollen, so scheinen sie, wenn man den Aussagen in der jüngeren Vergangenheit Glauben schenkt, selbst nicht überzeugt von ihrem „großen Wurf“.

Erinnern wir uns: Als der erste Reformentwurf auf dem Tisch lag, in dem von zwei obligatorischen, aber strikt voneinander getrennten Beratungsgesprächen die Rede war, haben die sozialistischen Verantwortlichen bereits Hurra gerufen und versucht, den Reformvorschlag als Fristenlösung – die etwas Vorsichtigeren sprachen von einer „Quasi-Fristenregelung“ – zu verkaufen.

Allerdings hat die LSAP die Rechnung ohne Frauenbewegungen, ohne Staatsrat und ohne Menschenrechtsverteidiger gemacht. Der massive Widerstand bzw. die (gerechtfertigte) Kritik, sei es in Sachen obligatorische Beratung, sei es in Bezug auf die geplante Einführung einer zeitlichen Residenzklausel, um nur diese Punkte zu nennen, hat die (wohl doch überraschte) LSAP sehr schnell zum Umdenken bewogen. Auf einmal war man bei den Sozialisten überhaupt nicht mehr einverstanden mit den beiden obligatorischen Beratungsgesprächen und forderte eine Abänderung dieses Punktes. Von den ersten Lobeshymnen auf die Reform wollte man nichts mehr wissen. Aber gestehen wir der LSAP diesen Sinneswandel zu. „Il n’y a que les imbéciles qui ne changent jamais d’avis“, heißt es nicht umsonst.

Nur, was dann folgte, war gelinde ausgedrückt ein Schlag ins Wasser. Denn die beiden vorgeschriebenen Beratungsgespräche stehen immer noch im Text, von der von sozialistischer Seite oft gepriesenen Selbstbestimmung der Frau ist man nach wie vor meilenweit entfernt. Von einer Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ganz zu schweigen. Ende schlecht, alles schlecht.

Die Verunsicherung seitens der LSAP ist aber spürbar, eindeutiges Indiz hierfür war die gestrige Pressekonferenz. Wieder versuchte man, mit rhetorischen Spielereien (ein „Kompromiss“, kein „Kuhhandel“, z.B.) die ganze Sache abzuschwächen und zwei Jahre vor den Parlamentswahlen, vor allem aber in intern recht turbulenten Zeiten, für die LSAP als politischen Sieg darzustellen. Überzeugen konnten die Genossen damit aber niemanden. Und als ob das alles nicht genügt hätte, erklärte eine sozialistische Gemeindepolitikerin dann auch noch, dass sie das neue Gesetz zwar befürworte, gleichzeitig heute aber dagegen demonstrieren werde. Ist das sozialistische Logik? Ist es das, was die LSAP unter „Profil schärfen“ versteht? Mit Verlaub, bei einer derartigen Inkonsequenz darf man sich nicht wundern, wenn nicht nur LSAP-Wähler sich die Frage stellen, wofür die Partei eigentlich steht. Zumal auch in anderen politischen Zusammenhängen die Marschrichtung nicht immer ganz klar ist bzw. zuweilen ändert.

Da ist es auch nicht sonderlich verwunderlich, dass von CSV-Seite nur sehr wenig zur Abtreibungsreform zu hören war. Eigentlich hätte bei einer solchen Reform nämlich die LSAP punkten können oder müssen. Die LSAP hat sich aber hier selbst ein Bein gestellt, sie redet sich um Kopf und Kragen und die CSV ist, ohne eigenes Zutun, der lachende Zweite.