/ Nicht so laut, ihr Herren. Vertreter des Patronats
Die Herren wollten mit Macht ein paar Dinge durchsetzen, die politisch nicht durchsetzbar sind, trotz (oder wegen!) aller Weisungen der EU-Kommission und der EU-Zentralbank. Wenn hier, in diesem kleinen Land, am famosen Index festgehalten wird, dann in erster Linie deshalb, weil er eine unserer letzten sozialpolitischen Eigenarten ist. Wir sind gerne Europäer, aber wir möchten Luxemburger bleiben, und dazu brauchen wir Eigenes, Einzigartiges, in der Wirtschaft und in der Kultur.
Dass solches Bedürfnis die normativen Kräfte herausfordert, welche Profit aus geebneten europäischen Sozialstandards schlagen, ist klar. Luxemburg muss morgen, oder spätestens übermorgen, so sein wie Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Polen, Ungarn, Rumänien und Bulgarien usw., andernfalls verlagern wir die Produktion dorthin, wie TDK, Villeroy&Boch, Imprimerie Buck, Husky, Duscholux, die glorreichen Vorreiter! Warnt Herr Dennewald, ein liebenswürdiger Mann eigentlich, der die Rolle des Bösewichtes ziemlich schlecht spielt. Er lasse doch den Herrn Wurth vortreten, der kann es von Haus aus.
Gab es nicht immer, auch bevor europäische Billiglohnländer lockten (die bereits nicht mehr mit den asiatischen, afrikanischen und lateinamerikanischen mithalten können), dieses soziale Dumping, das im Endeffekt die Reichen reicher machte und die Armen ärmer?
Waren die viel gelobten Väter EU-Europas nicht letztlich, weil sie, nach dem Zweiten Weltkrieg, nur eines im Auge hatten – den Frieden zwischen Nationen –, ungewollt, die Wegbereiter eines Europas, das sich der Business-Freiheit verschrieb? Zu Lasten der sozialen Gerechtigkeit, welche doch das Fundament jedes langlebigen politischen Systems ist?!
Wem nützt Europa, so wie es ist?
Warum wird in allen EU-Mitgliedstaaten auf Kosten der kleinen Leute und des Mittelstandes, via Steuererhöhungen, Leistungskürzungen und andere Grausamkeiten, abgedeckt, was der Spaß und die Gier des freien Unternehmertums kostete, ohne dass diesem freien Unternehmertum in der Zukunft neue, soziale Auflagen gemacht werden?
In Luxemburg hatten wir jahrzehntelang, in schlechten und guten Zeiten, die Tripartite. Aus diesem System wollte das neue Patronat ausscheren, als es meinte, die Gunst der (Krisen-)Stunde schlüge. Vor den Sommerferien boykottierte es den Wirtschafts- und Sozialrat, der Umgangston wurde lauter, und es konnte nach ministeriellen Verlautbarungen der Eindruck entstehen, die Regierung ginge auf Distanz zu den Gewerkschaften.
Nun, deren sachliche und politische Argumente fanden Gehör. Die CSV/LSAP-Koalition unter der Führung des im Kern sozial vorausdenkend gebliebenen Juncker wusste die Indexfrage auf eine praktische Art und Weise zu lösen: Im Endeffekt wird die Teuerung einigermaßen kompensiert, wie bisher, nach altem Brauch. Die vom Patronat nicht zu Unrecht verlangte Debatte über die Wettbewerbsfähigkeit kann jetzt schnell dort geführt werden, wo sie eigentlich hingehört, im Betrieb.
Kein Wischiwaschi-EU-Kanton!
Kann die Patronats-Lobby Unternehmen nennen, in denen Vertragsgewerkschaften sich, nach Einsicht in das Zahlenwerk, einer konstruktiven Diskussion verschlossen hätten? Waren nicht immer in kollektivvertraglichen Verhandlungen solche Lösungen möglich, welche nebst sicheren und korrekt bezahlten Arbeitsplätzen die sogenannte Kompetitivität anstrebten?
Noch ist der Scherbenhaufen klein.
Man kann ihn wegkehren und auf reinem Grund Neues versuchen, einander achtend.
Im Interesse dieses doch sehr verletzlichen Ländchens, das nicht zu einem Wischiwaschi-EU-Kanton verkommen sollte!
Alvin Sold
asold@tageblatt.lu